Europa lebt: Zehntausende demonstrieren mit „Pulse of Europe“
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Er kann es noch, auch mit 91 Jahren. Bevor Hans-Jochen Vogel auch nur ein Wort an die auf dem Platz versammelten Masse gerichtet hat, brandet Beifall auf. Vogel, der zu einer Zeit geboren wurde, als Krieg in Europa zum Alltag gehörte, genießt den Auftritt für das pro-europäische Bündnis „Pulse of Europe“ sichtlich. Er nennt ihn einen „absoluten Ausnahmefall für mich“ und nennt zwei Gründe für seine Zusage: „Erstens, weil es um Europa geht. Zweitens, weil ich hier Menschen begegne, die sich selber engagieren. Dafür allen Respekt“, so Vogel.
„Pulse of Europe“ - Veranstaltungen in 92 Städten
Tatsächlich eint die Bereitschaft dazu, sich persönlich für Europa zu engagieren, mehr Menschen als gemeinhin angenommen. In Zeiten, in denen europaskeptische Strömungen Zulauf gewinnen und Nationalismen eine Renaissance feiern, verleiht ihnen „Pulse of Europe“ eine Stimme. Nachdem der Name im November 2016 in Frankfurt am Main zum ersten Mal auftauchte, gewann die Initiative ständig neue Sympathisanten. In den sozialen Netzwerken dürfte „Pulse of Europe“ bald die Marke von 100.000 Anhängern knacken. Am vergangenen Sonntag sprachen die Veranstalter selbst von Versammlungen in 92 Städten – in Deutschland und elf anderen EU-Staaten.
Wie wichtig gerade jetzt eine von Bürgern getragene Initiative für Europa ist, erklärte Hans-Jochen Vogel den knapp 2000 Zuhörern auf dem Max-Joseph-Platz in wenigen Sätzen: „Einfluss auf die Weltentwicklung kann nur ein einiges Europa nehmen, die globale Entwicklung kann nicht von kleinen Einzelstaaten oder uns (der Bundesrepublik Deutschland, Anm. der Redaktion) beeinflusst werden.“ Europa sei für ihn nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern eine Sache des Herzens, sagte Vogel weiter und erklärte: „75 Jahre Frieden in Europa verdanken wir der europäischen Einigung. Frieden in Europa ist nicht selbstverständlich, Europa ist für die Erhaltung des Friedens eine notwendige Voraussetzung.“
Nach der Wahl in den Niederlanden steht mit der Präsidentschaftswahl in Frankreich am 23. April und 7. Mai für Europa und die Europäische Union bereits das nächste neuralgische Ereignis bevor. Sollte sich die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, tatsächlich gegen ihre Konkurrenten durchsetzen, droht ein „Fraxit“, das Ausscheiden Frankreich aus der Europäischen Union. Tritt der Fall ein, sehen Beobachter den Fortbestand der EU insgesamt massiv gefährdet.
Für die Anhänger von „Pulse of Europe“ Grund genug, sich mit ihren jüngsten Aktionen explizit an die Wähler in Frankreich zu richten. „Restez avec nous“ („Bleibt bei uns“) war eine der Parolen, die quer durch Deutschland auf Plakaten der Demonstranten zu lesen war. In mehreren Städten formten sie überdimensionale Frankreich-Fahnen, auf der Brücke Passerelle des Deux Rives zwischen Kehl auf deutscher und Straßburg auf französischer Seite des Rheins beteiligten sich mehr als 2000 Teilnehmer an einer Menschenkette.