Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa; ich bin gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Der erste Satz ist klar, der zweite bedarf einer Erklärung. Ich bin Amerikaner, der Sohn europäischer Einwanderer; ich lehre Deutsch an der Yale University in Neu-England (nomen est omen!). Was habe ich gemeinsam mit „Tea-Party“-Republikanern, hauptsächlich im Süden und Südwesten meines Landes, die den Staat für überflüssig halten, die Bibel als Biologie-Lehrbuch einsetzen möchten und Schusswaffen im Schlafzimmer als Garant ihrer Sicherheit verstehen? Fast gar nichts. Ich wäre glücklich, wenn meine Heimat sich abspalten und als unabhängiges „Neu-England“ auf die Weltbühne treten wollte.
Europa dagegen – gerade das historisch zerstrittene Europa, mit Dutzenden von Sprachen, mit allen überlieferten nationalen Vorurteilen, dazu mit dem krassen Nord-Süd-Wirtschaftsgefälle – Europa scheint mir heute einen Grundkonsens zu geniessen, der meinem ersten Heimatland (ich bin Amerikaner mit Migrationsvordergrund) in seinem gegenwärtigen überideologisierten Zustand völlig abhanden gekommen ist.
Aber nichts übertreiben! Die Vereinigung Europas, wie die meisten wirklich großen Themen des menschlichen Zusammenlebens, ist kein absolutes Gut, sondern ein 60-zu-40-Gut. (Wenn die Tea-Party dies verstünde, hätten wir in Amerika eine vernünftigere politische Diskussion.) Als Philologe müsste ich eigentlich bei jeder drohenden Verflachung und Vereinheitlichung der Kultur Zeter und Mordio schreien. Das tue ich auch, aber als Moment einer inneren Abwägung. Wenn Europa bedeutet, dass alles Wichtige auf den Gebieten Politik, Wirtschaft und Kultur in (schlechtem) Englisch betrieben werden muss, finde ich das megagrottenschlecht. Wenn Europa bedeutet, dass ich mich mit einer Italienerin, die in Frankreich Jura studiert und in einer Londoner Kanzlei ihr Englisch perfektioniert hat, angenehm auf Deutsch unterhalten kann, find ich das prima.
Na schön, ich überspitze die Thesen, aber mir standen nur 2000 Schriftzeichen zur Verfügung. Wählt Obama!