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Es wird Zeit: Ehe für alle öffnen!

In der großen Koalition wird über die Ehe für alle gestritten. Während die SPD die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen will, blockieren CDU/CSU. Dabei geht es nicht nur um die Ehe für Lesben und Schwule, sondern um ein Menschenbild, meint der Berliner SPD-Chef Jan Stöß.
von Jan Stöß · 5. August 2015
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Am 22. Mai 2015 schrieb die irische Bevölkerung Geschichte: Sie stimmten in einem Referendum mit einer überwältigenden Mehrheit von 62 Prozent für die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare. Ausgerechnet das katholische Irland hat damit die Diskriminierung von homosexuellen Paaren in Europa vollständig aufgehoben. Am 26. Juni sorgte dann in den USA ein Urteil des Supreme Court dafür, dass in den Vereinigten Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe in allen Bundesstaaten erlaubt wurde.
 
Durch diese Entscheidungen gewann die Debatte um die Ehe für alle in Deutschland neu an Fahrt. Nicht nur die Oppositionsfraktionen im Bundestag stellten Anträge, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Auch im Bundesrat wurde auf Antrag von Niedersachsen mit den Stimmen der rot-grün-regierten Bundesländer ein Entschließungsantrag zur Ehe für alle beschlossen. Bayern stimmte als einziges Bundesland dagegen, Berlin musste sich – wie die anderen von der CDU mitregierten Bundeländer – wegen der Blockadehaltung unseres kleinen Koalitionspartners CDU enthalten.

Enttäuscht von der Engstirnigkeit der CDU

Ausgerechnet Berlin. In unserer Stadt sind ganz unterschiedliche Lebensentwürfe längst gesellschaftlich breit akzeptiere Realität. Selbst die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg hat angekündigt, die kirchliche Trauung für homosexuelle Paare zu ermöglichen. Deshalb waren wir von der Engstirnigkeit unseres kleinen Koalitionspartners umso enttäuschter. Dass die CDU stattdessen eine Mitgliederbefragung angesetzt hat, bei der deren Mitglieder gleich sieben Möglichkeiten zur Antwort auf die einfache Frage hatten, ob auch schwule und lesbische Paare die Ehe eingehen dürfen, machte die Sache endgültig zur Farce. Dass man mit „teils-teils“ auf die Frage antworten durfte, ob zwei Menschen heiraten dürfen oder nicht – peinlicher geht es nicht. Dabei geht es nicht nur um die Ehe für Lesben und Schwule, sondern um die grundsätzliche Haltung, ein Menschenbild.

Einer modernen Großstadt ist dieses Verhalten jedenfalls nicht würdig – und es hat eben auch einen guten Grund, warum die CDU in fast keiner deutschen Großstadt mehr einen Oberbürgermeister stellt. Sie hat einfach keine zeitgemäßen Antworten auf das Leben in den Metropolen, die vorgestrige Haltung bei der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare ist dafür nur ein Symptom unter vielen. Und wo es noch einen CDU-OB gibt, da kommen wir aus Berlin gern vorbei, um beim nächsten Mal im Wahlkampf zu helfen. Es gibt nur eine Großstadtpartei in Deutschland – und das ist die Sozialdemokratie.

Die Mehrheit der Deutschen will die Ehe für alle

Ich bin davon überzeugt: Die deutsche Gesellschaft ist in der Stadt und auf dem Land in der Frage gleicher Rechte für gleiche Liebe wesentlich weiter als die Union und Frau Merkel. Auch in Deutschland gibt es eine klare Mehrheit für die Ehe für alle – in allen Umfragen. Das Berliner Boulevardblatt „BZ“ – sonst nicht immer ein Motor gesellschaftlichen Fortschritts – etwa hat vor kurzem aufgemacht mit dem Satz: „Das ändert sich für heterosexuelle Paare, wenn homosexuelle Paare die Ehe schließen dürfen“ – um dann auf einer ganzen leeren Seite zu schreiben: „Nichts.“ So ist es. Die Blockadehaltung der Union in dieser Frage ist einer von vielen guten Gründen, 2017 für eine Regierungsmehrheit jenseits von CDU und CSU zu kämpfen.

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Jan Stöß
Jan Stöß

war von 2012 bis 2016 Landesvorsitzender der Berliner SPD.

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