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„Es muss klar sein, dass die Pflege keine Gelddruckmaschine ist.“

Georg Pähler ist Geschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes. Die Coronakrise hat das Unternehmen bisher gut gemeistert. Für die Zeit danach hat er einen großen Wunsch – dass Qualität in der Pflege an erster Stelle steht.
von Vera Rosigkeit · 22. Juni 2020
Wer Wert auf Qualität in der Pflege leg, braucht qualifiziertes Personal, sagt Pflegedienst-Geschäftsführer Georg Pähler.
Wer Wert auf Qualität in der Pflege leg, braucht qualifiziertes Personal, sagt Pflegedienst-Geschäftsführer Georg Pähler.

Sie leiten ein Unternehmen der ambulanten Altenpflege. Wie haben Sie die Ausnahmesituation der Corona-Krise gemeistert?

Da muss ich ein ganz deutliches Lob an meine Mitarbeiter*innen aussprechen. Zunächst gab es Angst und viel Ungewissheit. Da waren viele Gespräche gefragt. Es gab technische Prozesse zu bewältigen, weil wir auch Ausbildungsbetrieb sind. Für die Schüler*innen habe ich ein E-Learning organisiert. Unsere Arbeitszeiten haben wir variabel gestaltet, damit maximal nur vier oder fünf Mitarbeiter*innen gleichzeitig im Büro waren, um Abstand halten zu können. Ein Riesenthema aber war die Grundversorgung der Mitarbeiter*innen, also Schutzmasken und Handschuhe zu besorgen. Dazu kamen die hohen Preise für Schutzmasken, die ja während Corona enorm gestiegen sind. Bei diesen Problemen habe ich mich von der Städteregion alleine gelassen gefühlt.

Zudem mussten wir auch die Abstrichsituation klären. Denn wären hier positiv getestete Mitarbeiter*innen gewesen, hätte das eine Unternehmensschließung zur Folge haben können. Das war unsere größte Angst. Auch das mussten wir selber organisieren, da gab es keine Unterstützung. Als Beispiel: Vor ungefähr sechs Wochen habe ich das Gesundheitsamt zur Sicherheit für uns aber auch für die Patient*innen um Tests für meine Mitarbeiter*innen gebeten. Die Anfrage wurde verneint. Das selber zu bezahlen, hätte ich mir wirtschaftlich aber nicht leisten können.

Wird es denn für Betriebe wie Ihren einen finanziellen Ausgleich geben?

Es wird für Handschuhe, Mundschutz und Desinfektion einen finanziellen Ausgleich geben. Die Höhe ist aber noch unbekannt.

Ganz grundsätzlich: Wie finanziert sich Pflege und wer ist daran beteiligt?

Es gibt den Abrechnungspartner Pflegekasse, vorrangig die gesetzliche aber auch die private. Der andere große Abrechnungspartner ist die Krankenkasse. Letztere zahlt für Leistungen im Bereich der medizinischen Tätigkeiten, also Medizin- oder Insulingaben, Wundversorgungen und ähnliches, die ausschließlich von examiniertem Pflegepersonal durchgeführt werden. Pflegehelfer*innen hingegen dürfen nur die Körperpflege übernehmen. Hier unterliege ich einer Qualitätsrichtlinie. Zum großen Glück liegt unser Anteil an examiniertem Pflegepersonal bei 80 Prozent. Damit sichern wir eine hohe Qualität in der Pflege.

Wie sieht es mit der Bezahlung Ihrer Mitarbeiter*innen aus?

Wir haben einen hausinternen Tarifvertrag, der im Vergleich gut bestückt ist. Würde ich mich dem nicht anpassen, was das Krankenhaus bezahlt, hätte ich hier in der Region nicht ausreichend Personal. Den so genannte Pflegenotstand haben wir derzeit in allen Einrichtungen, ob ambulant oder stationär, Krankenhaus und Pflegeheim.

Für die Beschäftigten in der Pflege soll es jetzt eine Corona-Prämie geben und auch der Ruf nach besserer Bezahlung wird lauter. Was sagen Sie als Geschäftsführer dazu?

Die Prämie halte ich für problematisch. Ich befürchte, dass damit die Situation in der Pflege einfach ruhig gestellt wird und danach nichts mehr passiert. Wir brauchen aber langfristig eine bessere Finanzierung der Mitarbeiter*innen. Wir brauchen andere Arbeitszeitmodelle und mehr Lohn in der Tüte.

Wie lässt sich das finanzieren?

De facto ist es ja so, dass wir hier in einer Planstaatsituation leben. Der Pflegegrad eins bis fünf gibt nur eine gewisse Summe Geld und die medizinische Versorgung gibt auch nur eine gewisse Summe Geld. Das macht in der Summe die Höhe der Einnahmen aus, die ich ausschütten kann. Das heißt, dass unser Unternehmen von der Gehaltstruktur zwar in einem guten Bereich liegt, aber ich kann, selbst wenn ich es will, für meine Mitarbeiter*innen oben nichts mehr drauflegen.

Wie schätzen Sie die Idee ein, aus der Pflegeversicherung eine Bürgerversicherung zu machen, also gesetzliche und private Pflege zusammen zu legen?

Daraus eine Bürgerversicherung zu machen, würde ja auch den vielen Privaten helfen. Die Privaten, die ich in der Versorgung übernehme, haben irgendwann die Kasse gewechselt, um Geld zu sparen. Dann rutschen sie in die Pflege und haben kein Geld, weil beispielsweise keine Rücklagen gebildet wurden.

Was sollte nach Corona anders werden?

Es muss klar sein, dass die Pflege keine Gelddruckmaschine ist, sondern hier Qualität an erster Stelle stehen muss. Mit anderen Worten: Ich könnte natürlich diese Arbeit von Pflegehelfer*innen machen lassen und mir die Einnahmen in die Tasche stecken. Wenn ich aber Wert auf Qualität lege, brauche ich qualifiziertes Personal.

Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Politik mal genauer darauf schaut, was da eigentlich in der Pflege passiert. Was macht da eigentlich wer? Das bisschen Qualitätsprüfung, das von den Medizinischen Diensten einmal im Jahr durchgeführt wird, reicht nicht. Ich möchte eine Bewertung von Qualitätsstandards, die täglich erbracht werden. Und einen finanziellen Ausgleich dafür, wenn ich diese besonders  gut erbringe, damit kann ich auch meine Mitarbeiter*innen adäquat entlohnen und davon würden auch die Patient*innen profitieren. Ich bin mir sicher, dass unser Patient*innen bei einem Fachkräfteanteil von 80 Prozent besser versorgt sind als bei einem Anbieter mit einem Anteil von vielleicht nur zehn oder 20 Prozent.

Der Staat sollte also mehr auf die Qualität schauen?

Unbedingt. Nun wir sind ja auch ein Land de Bürokratie und jeden Tag werden neue Konzepte entworfen. Dabei ist das Handwerkzeug ganz einfach. Würde der MDK 30 Prozent der Mitarbeiter*innen abziehen, um mehr Qualitätskontrolle durchzuführen, stünde die ambulante Pflege schon ganz anders da. Dann würde sich die Spreu vom Weizen trennen und Kund*innen würden auf einem anderen Niveau versorgt. Mit Altenheimen, die rein gewinnorientiert arbeiten, habe ich in der Corona-Phase die meisten Schwierigkeiten gehabt. Das sollte nicht sein. Pflege ist Knowhow.

Im Rahmen der Palliativversorgung begleiten wir Menschen in den Tod. Da übernehmen wir enorme Verantwortung. Das muss uns doch genauso wichtig sein, wie die Arbeit von IT-Kolleg*innen, die Programme entwickeln.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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