Es geht um mehr als einen Reisepass
Ab Samstag müssen sich Jugendliche mit einem ausländischen und einem deutschen Pass an ihrem 22. Geburtstag keiner Identitätsfrage mehr stellen: Die Entscheidung, ob sie sich eher als deutsche Staatsangehörige begreifen, oder sich eher der Herkunft der Eltern zugehörig fühlen, entfällt für die meisten Jugendlichen mit zwei Pässen durch das neue Gesetz.
„Das ist ein ganz wichtiges Gesetz. Wir haben die Abschaffung der Optionspflicht weitestgehend erreicht“, freut sich Staatsministerin Aydan Özoğuz bei der Vorstellung der Informationskampagne „Ein Leben. Zwei Pässe“ (Zur Kampagne) am Dienstag im Bundeskanzleramt. Mit der Neuregelung, die laut Özoğuz aktuell 500 000 Jugendliche betrifft, habe Deutschland „einen Riesenschritt hin in die Lebenswirklichkeit getan“.
Doppelte Staatsbürgerschaft an Voraussetzungen gebunden
Beide Pässe können die Jugendlichen künftig dann behalten, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben, oder mindestens sechs Jahre hier zur Schule gegangen sind. Die Optionspflicht entfällt auch, wenn sie hier einen Schulabschluss erworben oder ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben. Bisher mussten sie sich bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Härtefälle, bei denen die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sollen im Einzelfall geprüft werden, erklärt die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration. Sie gehe davon aus, dass „95 bis 98 Prozent der Jugendlichen die Regelungen erfüllen“.
Einer, dessen Leben direkt von der Neuregelung betroffen ist, ist Musa Cakilli. Der 21-jährige Student aus Rüsselsheim hält bei der Vorstellung der Informationskampagne, die sich an junge Migranten richtet, lächelnd seine beiden Pässe, den deutschen und den türkischen, in die Kameras. Zu seinem 18. Geburtstag hatte er einen dicken Brief vom Regierungspräsidium erhalten, in dem er aufgefordert worden sei, sich für einen Pass zu entscheiden. Das habe er als ungerecht empfunden.
Nachbesserungsbedarf bleibt
„Ich musste mich entscheiden, meine Freunde nicht“, erzählt der Student. „Man fühlt sich ein bisschen abgestoßen. Es geht ja um mehr als einen Reisepass. Das ist ein Teil meiner Identität.“ Cakilli hatte gegen die Optionspflicht Klage beim Amtsgericht Darmstadt erreicht. Zu einer Entscheidung kam es jedoch gar nicht, dass neue Gesetz war schneller. Cakilli kann jetzt beide Pässe behalten.
Obwohl Aydan Özoğuz betont, wie sehr sie sich über die Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechts freue, ist das neue Gesetz für die SPD-Vizin doch nur ein Anfang: „Worüber ich als Sozialdemokratin nicht zufrieden sein kann, ist das die erste und zweite Generation der Migranten nicht berücksichtigt wird,“ sagt sie. Die SPD habe sowohl im Jahr 2000 als man sich mit der Union unter bestimmten Voraussetzungen auf das Geburtsortsprinzip geeignet habe, als auch bei den jetzigen Koalitionsverhandlungen „mehr gewollt“. Dies bleibe auch weiter ihr Anliegen, versprach sie.