Inland

„Es führt kein Weg zurück“

von Dietrich Jörn Weder · 21. September 2014

„Es führt kein Weg zurück“, so ist ein bewegender großer Roman des amerikanischen Schriftstellers Thomas Wolfe aus dem Jahre 1950 überschrieben. Ganz in diesem Sinne sagt EZB-Präsident Mario Draghi: „Der Euro bleibt, er bleibt, er bleibt.“ Aber wenn er bleiben soll, muss man denen, die dafür sorgen können, auch die nötigen Mittel an die Hand geben.

Die US-Notenbank, die Bank von England und auch die Bank von Japan dürfen Regierungsanleihen aufkaufen, und tun dies auch in großem Umfang. Und nur der Europäischen Zentralbank soll dies  auf Dauer verwehrt bleiben? – Das kann nicht sein! Die EZB und der Euro-Rettungsfonds ESM müssen vielmehr getrennt oder im Verein miteinander Euro-Staatsanleihen erwerben dürfen, um, falls es nottut, die überbordende Spekulation der Finanzmärkte in die Schranken zu weisen. Andernfalls wird sich die Spekulation in ihrem ungezügelten Toben ein Opfer nach dem anderen suchen, und es aus dem Euro-Raum herausdrängen, wenn mit Griechenland erst einmal der Anfang gemacht ist. Unsere gemeinsame Währung wird dies am Ende nicht überleben.

Merkel ohne verlässliche Bundesgenossen

Der Münchener Makroökonom Gerhard Illing nennt es „absurden Leichtsinn“, über einen „Nordeuro“ und einen „Südeuro“ zu schwafeln und Griechenland jetzt mit einem Hinauswurf aus der Währungsgemeinschaft zu drohen. Doch letzteres tut der für sein Amt so wenig taugliche Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, und ebenso, noch ungehemmter, der bayerische Finanzminister Markus Söder, der politisierenden Stammtischen Freude bereitet mit Sätzen wie: „Irgendwann muss jeder bei Mama ausziehen, und die Griechen sind jetzt soweit.“

Angela Merkel hat nicht den Mut und vielleicht auch nicht mehr die Kraft, diesen rhetorischen Geisterfahrern den Mund zu verbieten. Umso eher wird sie sich – möglicherweise noch vor Ablauf der Wahlperiode -  andere, solidere Bundesgenossen zur Bewahrung des Zusammenhalts der Währungsgemeinschaft suchen müssen. Sigmar Gabriel sagt zu Recht, dass Anleihekäufe Schritte zu einer echten, auch durch Volksabstimmungen legitimierten europäischen Fiskalunion nicht ersetzen können. Aber ohne solche Käufe könnte der Währungsgemeinschaft schon auf dem Wege dahin der Atem ausgehen.

Problemländern auch unkonventionell helfen

Mit den vom Markt verlangten Zinssätzen zwischen sechs und sieben Prozent für die Refinanzierung ihrer Schulden werden Italien und Spanien völlig unnötigerweise für lange Zeit überbürdet. Dagegen hat die EZB zu einem Zinssatz von nur einem Prozent eine Billion Euro auf drei Jahre den Geschäftsbanken zugeschoben, die davon mit 500 oder 600 Prozent Gewinn Staatsanleihen kaufen, soweit sie das Geld nicht vorerst bunkern. Das ist nichts anderes als eine allerdings sehr teure Umgehung der direkten Finanzierung von Regierungen, die der EZB nach dem Buchstaben ihres Statuts nicht erlaubt ist.

Den auf ihre Rechte pochenden Parlamentariern kommt Draghi entgegen, indem er die gezielte monetäre Unterstützung für Problemländer davon abhängig machen will, dass diese sich mit einem förmlichen Antrag unter den europäischen Rettungsschirm begeben. Und die Billigung eines solchen Antrags hängt von der Zustimmung aller Vertreter der 17 Euroländer im Lenkungsgremium des ESM ab. Aber davon unabhängig wird die EZB wohl kaum jemand hindern, dafür zu sorgen, dass ihre Zinsentscheidungen auch bei den Unternehmern und Bürgern aller Euroländer ankommen. Das kann auch mit Hilfe unkonventioneller Maßnahmen geschehen, zu denen zumindest die Mehrheit des Zentralbankrats offenbar auch den Kauf kurz laufender Staatsschuldentitel zählt.

Wir haben am meisten zu verlieren

Zumindest einige Regierungspolitiker bestärken die Bevölkerung in der irrigen Ansicht, dass alle Hilfen für die gegenwärtig finanziell bedrängten Länder den Deutschen mehr oder minder unmittelbar zum Schaden gereichen. Doch die Euro-Länder befinden sich nicht in 17 einzelnen Booten, die sicher weitersegeln können, wenn eines von ihnen untergeht, sondern wir befinden uns alle in einem gemeinsamen Boot mit einem erheblichen Leck. Und dieses muss ohne Verzug verstopft werden, wie der Wirtschaftsweise und die SPD beratende Peter Bofinger mit diesem Bild anschaulich festgestellt hat.

Die Deutschen tun sich auch keinen Gefallen, wenn sie problematisch verschuldete Euro-Länder wie Spanien oder Italien zu forcierten Einsparungen drängen, die diese Staaten in eine Rezession und ihrer Bürger in Armut und Arbeitslosigkeit stürzen. In welche politischen Abgründe das Sparen in der Krise führen kann, haben gerade wir Deutschen in der Großen Depression der dreißiger Jahre erlebt. Bei einem Zerfall des Euroraums und der Rückkehr zu nationalen Währungen hat Deutschland höchst wahrscheinlich mehr zu verlieren als Länder, die ihren Wohlstand nicht wie wir auf eine florierende Ausfuhr gründen. Die allermeisten Industrievertreter, vor allem solche mit großer internationaler Erfahrung, können daher einer Rückkehr nach Gestern nichts abgewinnen.

Keine Gleise mehr für einen Zug nach Gestern

Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, der für sich ein eigenständiges Denken jenseits von Parteigrenzen beansprucht, tritt dafür ein, dass bei alledem der Volkswillen unbedingt respektiert werden muss. Den Verzicht auf Demokratie ist tatsächlich selbst der Euro nicht wert. Doch kann sich das Euroland nicht, wie von Gauweiler empfohlen, noch einmal so klein machen, dass es sich in eine vielteilig bunte „Schweiz der Welt“ zurückverwandelt. Dieser Zug ist abgefahren. Die hinter uns liegenden Bahnhöfe sind geschlossen, die Gleise sind herausgerissen.     

Autor*in
Dietrich Jörn Weder

ist freier Journalist und Buchautor.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare