Inland

Erster Auftritt nach dem TV-Duell: Martin Schulz' Attacke auf die Kanzlerin

Bei seinem ersten Auftritt nach dem TV-Duell zeigt sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz angriffslustig. Auf dem „Gillamoos“-Volksfest in Niederbayern attackiert er Kanzlerin Angela Merkel – und bezieht Stellung zu den Themen, die im Duell zu kurz gekommen sind.
von Kai Doering · 4. September 2017
„Angela Merkel will die Vergangenheit verwalten, ich will die Zukunft gestalten.“ Bei seinem ersten Auftrit nach dem TV-Duell auf dem „Gillamoos“ in Abensberg zeigte sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kämpferisch.
„Angela Merkel will die Vergangenheit verwalten, ich will die Zukunft gestalten.“ Bei seinem ersten Auftrit nach dem TV-Duell auf dem „Gillamoos“ in Abensberg zeigte sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kämpferisch.

Viel geschlafen hat Martin Schulz sicher nicht. Nur zwölf Stunden nachdem er sich im TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel gemessen hat, ist der SPD-Kanzlerkandidat auf dem „Gillamoos“-Jahrmarkt im niederbayerischen Abensberg zu Gast. Doch schon während Schulz an diesem Dienstagmorgen um kurz nach zehn zum „Festjubelmarsch“ das Jungbräuzelt betritt, ist klar: Müde ist der Kandidat nicht. Im Gegenteil.

Im Bierzelt knüpft Schulz ans TV-Duell an

Die Stadtkapelle Berching hat dem Kanzlerkandidaten bereits die Bühne bereitet und das Festzelt auf Betriebstemperatur gebracht. Als Schulz auf einer Bierbank ganz vorn Platz nimmt, herrscht bereits „Stufe zehn“, wie der Kapellmeister ruft. „Das TV-Duell ist eine richtig gute Grundlage für den Endspurt“, lobt Christian Flisek, Bundestagsabgeordneter und als Vorsitzender der SPD Niederbayern quasi Gastgeber, Schulz’ Auftritt vom Vorabend. Während der Kanzlerkandidat „klipp und klar“ geantwortet habe, sei Angela Merkel im Vielleicht verschwunden. „So kann man ein Land nicht führen“, sagt Flisek.

Als Martin Schulz dann vor den Gästen im proppenvollen Bierzelt steht, knüpft auch er direkt an den Vorabend an. „Angela Merkel will die Vergangenheit verwalten, ich will die Zukunft gestalten“, lautet sein Fazit des TV-Duells. Schulz greift auch die Aussage seines einminütigen Schlussstatements erneut auf, wonach eine Krankenschwester in 60 Sekunden weniger als 40 Cent verdiene, der Manager eines Großkonzerns aber mehr als 30 Euro. „Das spaltet unser Land.“

Angela Merkels „Weltmeisterschaft des Ungefähren“

Vor allem aber spricht Schulz im Bierzelt darüber, wofür im Fernsehstudio keine Zeit blieb: ausufernde Leiharbeit, den stockenden Breitbandausbau und die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern. „In den ersten 100 Tagen als Bundeskanzler werde ich dafür sorgen, dass alles unternommen wird, die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern zu beenden“, verspricht Schulz unter dem Beifall des Publikums. Sein Sakko hat er da schon mit einem entnervten „Jetzt reicht’s“ ausgezogen. Ihm ist heiß.

Die Bundeskanzlerin greift der SPD-Kanzlerkandidat frontal an. Deren „Weltmeisterschaft des Ungefähren“ bringe das Land keinen Meter weiter. „Ich weigere mich, mich darauf auszuruhen, dass die Bundesrepublik ein blühendes Land ist“, sagt Schulz. Konkret fest macht er das an der Zahl der Arbeitslosen, deren Halbierung Angela Merkel im TV-Duell als ihren Erfolg benannt hatte. Zweieinhalb Millionen Arbeitslose seien immer noch viel zu viele, schimpft Schulz, zumal darunter viele Langzeitarbeitslose seien. „Ich möchte nicht, dass sie abgeschrieben werden.“ Und überhaupt sei die sinkende Arbeitslosenzahl das Verdienst sozialdemokratischer Arbeitsminister von Franz Müntefering bis Andrea Nahles. „Sich mit den Erfolgen anderer zu brüsten, das wird am 24. September vorbei sein“, sagt Schulz.

Schulz: „Ausrüstung heißt nicht Aufrüstung“

Der SPD-Kanzlerkandidat nimmt stattdessen einen früheren CSU-Minister aufs Korn, der zeitgleich mit Schulz im Nachbarzelt seine Rede hält: Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. „Der Herr Baron hat die Bundeswehr zum Sparschwein gemacht“, schimpft Schulz. Der Trend sei unter seinen Nachfolgern weiter verschärft worden. Ob damals von Guttenberg oder heute Ursula von der Leyen: „Immer wenn ein von dazu kam, bekam die Bundeswehr weniger Geld.“

Auf die SPD könnten sich die Soldaten verlassen. Mit ihm als Kanzler würden sie gut ausgestattet. „Aber“, so Schulz, „Ausrüstung heißt nicht Aufrüstung“. Dem von US-Präsident Donald Trump angemahnten NATO-Ziel, jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung zu investieren, erteilt Schulz auch auf dem Gilamoos eine klare Absage. „Stattdessen brauchen wir endlich wieder Initiativen zur Rüstungsbegrenzung und Abrüstung.“

Kann Schulz Kanzler? „Ja, er kann!“

Hitzig wird es im Zelt als Martin Schulz auf die AfD und deren Spitzenkandidat Alexander Gauland zu sprechen kommt. Dieser hatte bei einer Wahlveranstaltung in Thüringen angekündigt, Integrationsstaatsministerin Aydan Özoğuz „in Anatolien entsorgen“ zu wollen. „Pfui“-Rufe gellen durch das Bierzelt als Martin Schulz Gaulands Worte zitiert. „Die sprechen von ‚Umvolkung’ und ‚Durschmischung’“, mahnt Schulz. Das sei die Sprache der 20er Jahre. Wohin das geführt hat, habe er erst bei einem Besuch im Konzentrationslager Dachau vor einigen Wochen gesehen. Für Schulz steht fest: „Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, sondern eine Schande für die Nation.“

Zum Schluss wird Martin Schulz dann noch einmal ganz ruhig. Auch wenn die Bewertungen seines Auftritts im TV-Duell auseinandergehen, eine Zahl habe ihn sehr berührt. So gaben 48 Prozent der 18- bis 34-Jährgen an, Schulz habe sich besser geschlagen als die Kanzlerin, die bei den Jungen nur auf 23 Prozent Zustimmung kommt. Schulz schließt daraus: „Die Menschen wissen sehr genau, wer für Gerechtigkeit sorgt und für einen Aufbruch in die Zukunft.“ Die Antwort auf die Frage, „ob einer mit Bart und Brille im Anzug von der Stange Bundeskanzler werden kann“, werde erst am 24. September gegeben. In Abensberg nimmt Schulz sie aber schon mal vorweg: „Ja, er kann.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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