vorwärts.de: Was haben die Arbeitnehmer davon, wenn sie bei der Europawahl SPD wählen?
Peter Nowack: Die Deutschen im EU-Parlament sind stark, weil Deutschland das einwohnerstärkste Land in der EU ist. Die Deutschen sind meinungsbildend. Zusammen mit den Franzosen. Je mehr
Sozialdemokraten wir nach Europa schicken, desto besser, weil die SPD das Interesse der kleinen Leute im Auge hat.
Viele Menschen sehen Europa mit großer Skepsis. Lässt sich die überhaupt überwinden?
Wenn man fragt, was wir von Europa haben, bekommt man drei Antworten: 1. Man kann billig telefonieren. 2. Keine Kontrollen an den Grenzen. 3. Man muss nicht mehr Geld tauschen. Die Menschen
haben eigentlich keine Angst vor Europa. Die haben Angst vor der Globalisierung. Sie erwarten, dass Europa sie vor den negativen Folgen der Globalisierung schützt. Dann werden sie auch zur Wahl
gehen.
Nenn doch mal drei konkrete Gründe, warum es sich lohnt, zur Europawahl zu gehen und SPD zu wählen.
Erstens: Weil von Europa entscheidende Impulse ausgehen für nationale Politik. Zweitens: Weil das Europäische Parlament nur stärker werden kann, wenn es eine hohe Wahlbeteiligung gibt.
Drittens: Weil wir das Rad von Europa nicht zurückdrehen können, müssen wir es vorwärts drehen. Da müssen wir Sozialdemokraten bestimmen, in welche Richtung und in welchem Tempo. Wir bei
Fahrzeuginstandhaltung der Bahn werden alle Kollegen auffordern, da das Kreuz zu machen, wo es jemanden gibt, der ihnen hilft: Die SPD setzt sich für die Stärkung der Arbeitnehmerrechte ein, sie
steht für soziale Mindeststandards, dafür dass die Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden und für eine fortschrittliche soziale Politik im Sinne der Menschen.
Was nützt das, wenn der Europäische Gerichtshof z.B. entscheidet, dass lettische Arbeiter auf schwedischen Baustellen weniger verdienen dürfen als schwedische?
Der konkrete Fall war: Ein schwedisches Unternehmen hat einen lettischen Subunternehmer beschäftigt. Die Schweden haben gesagt: Die können gerne hier arbeiten, aber zu schwedischen Löhnen.
Das lettische Unternehmen wollte das nicht. Daraufhin haben die Schweden dafür gestreikt, dass die Letten schwedischen Lohn erhalten. Das hat der Europäische Gerichtshof für illegal erklärt. So
etwas darf nicht wieder passieren. Das heißt, wir brauchen ein Gesetz, dass es ermöglicht, nationale Kollektivvereinbarungen nicht auszuhebeln. Dann können die Sozialpartner vor Ort die Dinge so
regeln, wie es den nationalen Bedürfnissen entspricht.
SPD und Gewerkschaften haben ein gemeinsames Positionspapier "Für ein Europa des sozialen Fortschritts" herausgebracht. Darin wird gefordert, dass soziale Grundrechte Vorrang vor
wirtschaftlichen Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln haben sollen.
Das finde ich gut. Das ist einfach und griffig, das verstehen die Leute. Damit kann ich den Betrieb gehen. Wenn wir über sozialen Fortschritt reden, muss der ein klares Ziel haben.
Mitbestimmung stärken, europäisches Tarifrecht, einheitliches europäisches Arbeitsrecht und zwar auf höchstem Niveau.
Europa reicht von Rumänien bis Schweden. Wie soll man sich ein einheitliches Tarifrecht vorstellen?
Ein Beispiel. Die neuste Akquisition der DB ist Romtrans, die größte rumänische Spedition. Das macht Sinn, aber nun befürchten die ungarischen und österreichischen Kollegen, dass ihre
Arbeitsplätze nach Rumänien verlagert werden könnten, weil das billiger ist. Deshalb muss eine Gewerkschaft über unternehmensweite Tarifverträge eingreifen können. Wenn das für die großen
Unternehmen gelingt, dann fahren die kleinen im Kielwasser mit. Allerdings wird in den nächsten 20 Jahren ein Arbeitnehmer in Rumänien wahrscheinlich nicht das gleiche Einkommen und die gleichen
Sozialstandards haben wie ein Arbeitnehmer wie in Schweden. Dafür sind die Unterschiede zu groß.
Die Sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament will der Wahl des neuen EU-Kommissionspräsidenten und der übrigen Kommissionsmitglieder nur zustimmen, wenn sich zur Sicherstellung des
sozialen Fortschritts bekennen.
Das ist eine deutliche Messlatte. Das ist für mich eine Sache, für die es sich zu streiten lohnt.