Erfolg für Ryanair-Crew: Bundestag erleichtert Gründung von Betriebsräten im Luftverkehr
14 Stunden arbeiten, acht davon bezahlt – die Beschäftigung als Flugbegleiterin bei Ryanair zahlt sich nicht aus. Rund 1.000 Euro netto Grundgehalt bleiben am Monatsende, berichtet Sabrina Rodriguez aus ihrem Arbeitsalltag in der Ryanair-Crew. Nicht jeden Tag arbeite sie 14 Stunden, erzählt sie. „Manchmal sind wir in Standby, müssen zehn Stunden zu Hause sein und sehen keinen Cent.“
30 Euro für neun Stunden sitzen
Ein anderes Beispiel ist der Airport-Standby. „Da sitzen wir von fünf Uhr morgens bis mittags um zwei in Uniform im Flughafen und erhalten eine Pauschale von 30 Euro, wenn wir nicht zum Einsatz kommen." Vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ganz zu Schweigen. Im Falle einer Erkrankung müssen Gründe angegeben werden, es folgt ein Eintrag in die Personalakte.
Das alles ist erlaubt, wenn man einen irischen Arbeitsvertrag hat. Nicht nur haben Arbeitnehmer in Irland einen geringen Sozialschutz, gering sind auch die Steuern für Unternehmen. Für die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe, die als Patin die streikenden Beschäftigten von Ryanair begleitet, ist es kein Wunder, dass Firmen sich dort gerne ansiedeln: allen voran US-Konzerne wie Google und Amazon.
Nach Streik kam die Kündigung
Kaum Arbeitnehmerrechte, wenig Steuern – optimale Bedingungen auch für die Billig-Fluglinie Ryanair. Sabrina Rodriguez ist eine von vier Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern, die in der vergangenen Woche von der irischen Fluggesellschaft gekündigt wurden. Offizieller Kündigungsgrund im Fall von Rodriguez waren ihre neun Krankheitstage.
Doch haben alle vier Betroffenen eines gemeinsam: Sie haben gestreikt. Da sie von Deutschland aus starten und landen und demzufolge auch in Deutschland leben, forderten sie einen deutschen Arbeitsvertrag und damit einhergehend bessere Arbeitsbedingungen mit Aussicht auf ein auskömmliches Einkommen. Unterstützt wurden sie von der Dienstleistungsgewerkschaft verdi, die nach monatelangem Konflikt Anfang November mitteilte, dass man sich auf Grundzüge eines Tarifvertrags verständigt habe. Der hätte vor allem eine deutliche Lohnsteigerung zur Folge.
Ryanair-Streik schon jetzt ein Erfolg
Doch der ist noch nicht unterzeichnet und damit haben Beschäftigte in Luftfahrtunternehmen nach Paragraphen 117, Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes keinen Anspruch auf eine Vertretung durch einen Betriebsrat. Das soll sich nun ändern. Die am Freitag im Bundestag verabschiedete Gesetzesänderung soll es künftig Flugbegleitern und Piloten ermöglichen, auch ohne Tarifvertrag einen Betriebsrat zu gründen. Dafür eingesetzt hatte sich allen voran Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Im Anschluss an ein Gespräch mit streikenden Ryanair-Beschäftigten erklärte Heil im September im Bundestag: „Wer Globalisierung zur Ausbeutung missbraucht, wie es bei Ryanair der Fall ist, muss mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen.“
Eine Gesetzesänderung für eine Betriebsratsgarantie im Bundestag und ein Tarifvertrag in Aussicht – der Streik der Ryanair-Crew ist bereits jetzt eine Erfolgsgeschichte. Doch haben gekündigte Beschäftigte wie Sabrina Rodriguez noch etwas davon?
Kiziltepe unterstützt entlassene Flugbegleiterin
Die SPD-Politikerin Kiziltepe sagt Ja. Denn es stehe noch eine Frage im Raum. Für sie sei juristisch nicht geklärt, welches Arbeitsrecht – deutsch oder irisch – tatsächlich gilt? Dabei helfen soll die Rom 1-Verordnung für grenzüberschreitende Verträge in der EU. Ihrer Meinung nach müsste nach dieser Verordnung für die Beschäftigten von Ryanair, die von Deutschland aus starten, auch deutsches Arbeitsrecht gelten.
Klarheit über diese Frage soll ein Treffen mit Vertretern des Bundesarbeitsministeriums, des Bundesministeriums für Finanzen und des Zolls bringen. Sollte am Ende das deutsche Arbeitsrecht gültig sein, wäre die Kündigung von Rodriguez unwirksam. Denn neun krankheitsbedingte Fehltage seien nach deutschem Arbeitsrecht kein Kündigungsgrund, sagt Kiziltepe. Rodriguez hätte damit das Recht auf Wiedereinstellung oder Entschädigung.
Alternativ dazu will Kiziltepe der 30-Jährigen Rodriguez aber auch bei einem möglichen Neueinstieg ins Berufsleben begleiten. So plant sie einen Termin mit der Arbeitsagentur in Berlin, um zu schauen, welche Job-Perspektiven sich jenseits von Ryanair auftun. Stolz sein auf sich, könne sie allemal, sagt sie an Rodriguez gewandt. „Ihr habt viel erreicht, für euch wird ein Gesetz im Bundestag geändert.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.