Inland

Energiesicherheit: „Die CSU hat Bayern energiepolitisch abgehängt.“

In Bayern wächst die Sorge vor einer drohenden Energieknappheit im Herbst und Winter. Die Schuld dafür sieht Florian von Brunn bei der CSU. Mit einem „Geothermie-Turbo“ will der Vorsitzende der bayerischen SPD dagegenhalten.
von Kai Doering · 12. August 2022
Ein Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2 würde die Probleme der bayerischen Energieversorgung nicht lösen, meint SPD-Chef Florian von Brunn.
Ein Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2 würde die Probleme der bayerischen Energieversorgung nicht lösen, meint SPD-Chef Florian von Brunn.

Vor dem Herbst warnt die bayerische Staatsregierung vor einer Energieknappheit in Bayern. Wie dramatisch ist die Situation?

Leider hat die Staatsregierung und allen voran die CSU Bayern energiepolitisch abgehängt. Das macht sich nun in einer Situation steigender Preise deutlich bemerkbar. Deshalb sind wir schon besorgt, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Durch die restriktiven Regelungen beim Ausbau der Windenergie und die Blockade beim Bau von Stromleitungen stehen wir vor einer äußerst schwierigen Situation. Gerade in der bayerischen Wirtschaft und Industrie ist die Sorge groß, dass die Produktion wegen einer fehlenden Energieversorgung unter Druck geraten könnte. Die CSU setzt durch ihre Politik der letzten Jahre unsere wirtschaftliche Zukunft und die Versorgungssicherheit der Menschen aufs Spiel.

Ministerpräsident Markus Söder fordert deshalb nun u.a. den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2. Würde das die Probleme lösen?

Das glaube ich nicht. Alle Experten sagen, dass ein Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke lediglich ein Prozent des Stromanteils, der aus Gas erzeugt wird, ersetzen könnte. Ich persönlich bin ein strikter Gegner eines Wiedereinstiegs in die Atomwirtschaft. Wir haben noch immer nicht die Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle gelöst. Da halte ich es für unverantwortlich, neue Brennstäbe herzustellen oder zu importieren. Hinzu kommen mögliche Sicherheitsmängel, die einen Weiterbetrieb ausschließen.

Der TÜV Süd hält Isar 2 aber weiterhin für sicher.

Der TÜV Süd ist in dieser Frage keine maßgebliche Instanz. Man muss dazu wissen, dass er sehr viel Geld mit Aufträgen rund um die bayerischen Atomkraftwerke verdient. Er hat also ein großes wirtschaftliches Interesse, dass die Atommeiler weiterbetrieben werden und ist bei seiner Bewertung nicht objektiv.

Sie sind also strikt gegen einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke?

Ich bin strikt gegen einen Wiedereinstieg. Wenn der laufende Stresstest allerdings ergibt, dass ein Weiterbetrieb notwendig und sicher ist, würde ich über einen Streckbetrieb für eine Dauer von bis zu sechs Monaten mit mir reden lassen. In dem Fall dürften aber keine neuen Brennstäbe bestellt und damit kein neuer Atommüll produziert werden.

Die frühere Energieministerin und jetzige Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat jüngst in einem Interview Versäumnisse beim Ausbau der Stromtrassen eingeräumt. Ist diese Erkenntnis in der Staatsregierung angekommen?

Die Selbstkritik von Ilse Aigner ist leider nur halbherzig. Und in der Staatsregierung ist die Erkenntnis, dass Fehler gemacht wurden, auch nicht angekommen. Man muss klipp und klar sagen, dass die CSU nicht nur den Bau von Stromtrassen blockiert hat, sondern auch den Ausbau der Windkraft. Das droht uns nun auf die Füße zu fallen. Wegen der CSU stehen wir energiepolitisch wacklig auf einem Bein da.

Ministerpräsident Söder behauptet dennoch, Bayern stehe bei Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders gut da. Wie bewerten Sie das?

Nur weil in Bayern relativ viel Photovoltaik installiert wird, stehen wir beim Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gut da. Dafür muss man das Verhältnis zur Größe und zur Bevölkerung betrachten. In der Logik der CSU könnte sich Bayern auch damit brüsten, mehr Sozialwohnungen zu haben als das Saarland. Tatsache ist, dass Bayern bei der Photovoltaik keinesfalls Spitzenreiter ist und bei der Windkraft sogar ziemlich schlecht dasteht.

Sie haben kürzlich einen „Geothermie-Turbo“ und ein Soforprogramm Energiesicherheit für Bayern gefordert. Wie sollen die aussehen?

Geothermie ist eine sehr gute Möglichkeit, um die Versorgung mit Wärme sicherzustellen. Für Bayern gehen Experten davon aus, dass wir damit 40 Prozent unseres Wärmebedarfs decken könnten, deutschlandweit etwa 30 Prozent. Dieses Potenzial sollten wir nutzen. Allerdings wird das Thema immer noch stiefmütterlich behandelt. Wo es vorangeht, wie etwa in Unterhaching und München, liegt es an umtriebigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Es gibt nach wie vor kein Programm des Freistaats, obwohl Bayern besonders günstige Voraussetzungen für die Nutzung der Geothermie hat. Das müssen wir dringend ändern.

Das bedeutet konkret?

Die SPD will, dass endlich gehandelt und nicht nur gesödert wird. Wir fordern deshalb ein Landesprogramm fürs Energiesparen, eine Förderung von Wärmespeichern und natürlich die Aufhebung der Regelungen, die den Windkraftausbau ausbremsen. Wir sind davon überzeugt, dass Bayern deutlich mehr kann bei den Erneuerbaren Energien.

Mit welchen Partnern ließe sich das in einer künftigen Landesregierung am ehesten umsetzen?

Gute Chancen für einen wirklichen Ausbau der Erneuerbaren Energien sehe ich in einer Ampel-Koalition. Grundsätzlich ginge es aber auch mit den Freien Wählern. Zumindest was die Erneuerbaren angeht, sind sie deutlich fortschrittlicher als ihr derzeitiger Koalitionspartner die CSU. Wir brauchen jetzt Mut, wenn wir die wirtschaftliche Zukunft Bayerns sichern wollen. Mut, den die CSU nicht hat.

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