690 000 Euro haben die BMW-Anteilseigner Johanna Quandt, Stefan Quandt und Susanne Klatten an die CDU gespendet. Die Spende stößt auf Kritik, denn kurz zuvor hat sich die CDU auf EU-Ebene gegen strengere Abgas-Normen für Autos eingesetzt. Im Interview mit vorwärts.de kritisiert der Parteienrecht-Forscher Martin Morlok die CDU und die Spender. Sie hätten den Sinn der Transparenz-Regeln für Parteispenden bewusst ausgehebelt.
vorwärts.de: Seit die Großspende der Familien Quandt und Klatten an die CDU bekannt geworden ist, hagelt es öffentliche Kritik. Können Sie die Diskussionen nachvollziehen?
Martin Morlok: Ja, und ich halte sie für erwünscht. Wir haben ja für solche Großspenden eine Publikationspflicht im Gesetz vorgesehen. Die ist kein Selbstzweck, sondern soll eine öffentliche Diskussion anregen. Dies geschieht jetzt, und das bestätigt, dass die gesetzliche Regelung Sinn macht.
Nun wurde bekannt, dass die CDU schon vor dem Wahlkampf wusste, dass die Spende kommen wird. Das hat ein Sprecher der Quandt-Familie bestätigt. Durch die Überweisung nach der Wahl wurde das Thema offenbar bewusst aus der öffentlichen Diskussion im Wahlkampf herausgehalten.
Das ist unter zwei Gesichtspunkten spannend. Zum einen sagt die Quandt-Familie: Das war schon längst bekannt und hat nichts mit der aktuellen CO2-Politik der Bundesregierung zu tun. Man wollte den Verdacht zerstreuen, dass die Spender direkten Einfluss auf eine konkrete politische Diskussion genommen haben. Damit hat die Familie aber – und das ist das zweite – zugegeben, dass diese Spende vorher angekündigt worden war. Wenn das stimmt, dann haben hier Spender und Partei zusammengewirkt, um bewusst den Zweck des Gesetzes auszuhebeln. Denn dieser besteht darin, dass die Öffentlichkeit sofort informiert wird.
Vor diesem Hintergrund hat die Organisation LobbyControl gefordert, zu prüfen, ob die Spende formaljuristisch korrekt war. War sie es Ihrer Einschätzung nach?
Formal wurde das Gesetz eingehalten. Und ich fürchte, dass hier auch kein Tatbestand vorliegt, der Sanktionen nach sich ziehen kann. Denn wenn die BMW-Anteilseigner eine Spende in Aussicht stellen, sind sie ja nicht gezwungen, das Geld später auch zu überweisen. Deshalb muss die beschenkte Partei die Spende erst dann an den Bundestagspräsidenten melden, wenn sie das Geld tatsächlich erhält. Aber wie ich schon sagte: Der Sinn des Gesetzes wurde in diesem Fall ausgehebelt.
Jürgen Trittin von den Grünen spricht von gekaufter Klimapolitik. Liegt hier ein Fall von Korruption vor?
Von Korruption würde ich in diesem Fall nicht sprechen, da man keine Kausalität zwischen der Spende und einer bestimmten Politik nachweisen kann. Dass eine Bundesregierung Rücksicht auf die Interessen der Automobilindustrie nimmt, eine der größten Branchen in der deutschen Wirtschaft, überrascht nicht.
Aber eine große Spende steigert natürlich die Bereitschaft von Politikern, sich die Sorgen und Nöte einer Interessensgruppe anzuhören. Es gibt so viele Interessen und Anliegen, dass die Politik gar nicht alle wahrnehmen kann. Eine große Spende schafft Aufmerksamkeit und vergrößert das Ohr der Mächtigen für diese Interessen. Wenn ich es schaffe, dass die Politik sich mein Wehklagen anhört, dann habe ich schon fast gewonnen.
Von den Großspenden 2012 in Höhe von 1,34 Millionen entfielen 818.000 Euro auf CDU und CSU. Andere Parteien erhielten deutlich weniger. Wird dadurch die Waffengleichheit im demokratischen Ringen um Wählerstimmen beeinträchtigt?
Das System der Politikfinanzierung, das wir rechtlich errichtet haben, soll ja dafür Sorge tragen, dass in der Politik Chancengleichheit herrscht. Und zwar unabhängig von der Dicke der Brieftasche. Wenn wir Großspenden zulassen, hinterlassen wir hier eine Lücke im Zaun. Bei uns hat aber bisher die Argumentation überwogen, dass das Geld sich immer seinen Weg sucht. Das bedeutet: Wenn wir Großspenden verbieten, wandert das Geld eben in schwarze Kassen.
In Deutschland lautet die Strategie deshalb: Wir legalisieren die Spenden, aber bringen sie an die Öffentlichkeit. Und die ist jetzt gefragt, sich einen Reim darauf zu machen. Das ist nicht ohne politische Bedeutung. Wir erinnern uns ja alle noch an die Mövenpick-Spende an die FDP und an das Steuergeschenk, das darauf folgte. Das hat der FDP extrem geschadet.
Die Organisation Transparency International fordert, Spenden grundsätzlich auf 50 000 Euro pro Spender zu deckeln, um den Einfluss von Großspendern zu begrenzen. Diskutiert wird auch darüber, ob Unternehmen überhaupt spenden dürfen sollten. Wie lautet Ihre Meinung dazu?
Solche Modelle sind international weit verbreitet. Man kann sie auch gut begründen. Zum Beispiel, indem man sagt: Das Wahlrecht kommt nur Individuen zu, also sollten Organisationen auch nicht über Spenden Einfluss nehmen. Die Frage ist nur, ob das politisch durchsetzbar ist. Wettbewerbsregelungen sollten in einer Demokratie nicht mit der aktuellen Mehrheit gegen die Minderheit durchgesetzt werden. Über die Spielregeln der Demokratie sollte man im Konsens entscheiden. Solange aber die bürgerlichen Parteien sehr viel mehr Großspenden erhalten als die anderen Parteien, wird man nicht so leicht zu einem Konsens kommen. Es sei denn, der öffentliche Druck wird zu groß.
Prof. Dr. Martin Morlok ist stellvertretender Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.