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Eine resolute und streitbare Kämpferin - Jutta Limbach ist tot

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Jutta Limbach ist tot. Die Sozialdemokratin starb mit 82 Jahren in ihrer Geburts- und Heimatstadt Berlin. Bequem war sie nie. Sie stand zu ihren Überzeugungen, auch und gerade wenn es schwierig wurde.
von Renate Faerber-Husemann · 12. September 2016
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Bequem war die am 10. September verstorbene Jutta Limbach nie. Egal ob als Rechtsprofessorin, Berliner Justizsenatorin, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts oder Präsidentin des Goethe-Instituts.  Zu ihren Überzeugungen stand die Feministin Jutta Limbach eisern. Vor Jahren hat sie einmal geschrieben: „Ohne Selbstbehauptungswillen kommt eine Frau in unserer Gesellschaft nicht voran.“ Wer immer mit ihr zu tun hatte, erzählte aber auch von ihrer entwaffnenden Liebenswürdigkeit. Dass dahinter auch eine ganze Portion Härte in der Sache steckte, mag mancher zu spät erkannt haben. Sie war immer eine Kämpferin, doch den Kampf gegen den Krebs hat die 82jährige verloren.

Jutta Limbachs Vorbilder in der Familie

Ihre Vorbilder fand Jutta Limbach in der eigenen Familie: Über die Urgroßmutter hat sie ein 2016 erschienenes Buch geschrieben: „Wahre Hyänen“. Diese mutige Frau  ging im Kaiserreich für ihren Einsatz für geschundene Arbeiterinnen und Dienstmädchen sogar ins Gefängnis. Die Großmutter war im Berlin der zwanziger Jahre SPD-Reichstagsabgeordnete. Die Mutter brachte während der Nazizeit die Familie als Kellnerin durch, nachdem ihr Mann als Beamter entlassen worden war.

Es erstaunt bei dieser Familiengeschichte nicht, dass Jutta Limbach erst in der Wissenschaft, dann in der Politik und der politischen Kultur Karriere gemacht hat. Doch Ehrgeiz und Disziplin – und die Erinnerung an die Frauen, auf deren Schultern sie stand – erklären ihren Erfolg alleine nicht. Bei ihr kam noch eine besondere Tugend hinzu: Die Unerschrockenheit, mit der sie zu ihren Überzeugungen stand, auch und gerade wenn es schwierig wurde.

Kompromisslose Verteidigerin bürgerlicher Freiheiten

1989 holte der damals Regierende Berliner Bürgermeister Walter Momper die Rechtsprofessorin in die Politik. Sie wurde Justizsenatorin in einer Koalitionsregierung aus SPD und Alternativer Liste, die aus acht Frauen und fünf Männern bestand. So ernst hätte man das mit der Gleichberechtigung nun doch nicht nehmen müssen, meinten damals viele Männer und erregten sich laut über das „Berliner Feminat“.

Es folgte Schwarz-Rot und Jutta Limbach blieb Justizsenatorin, was sich bald nach der Wiedervereinigung als der sicherlich schwierigste Job in der Regierung erwies. Denn sie war zuständig für die juristische Aufarbeitung des DDR-Regimes, also für Regierungskriminalität, für die Überprüfung ostdeutscher Richter, für den Neuaufbau einer Justiz im Ostteil der Stadt. Siegerjustiz sei das, was sie da betreibe, schimpften bald viele und Jutta Limbach galt ihnen als „Oberhexenjägerin“, ein Schimpfwort, das die kompromisslose Verteidigerin bürgerlicher Freiheiten damals gewiss schwer traf.

Urteile, die Aufsehen erregten

1994 wurde Jutta Limbach Vizepräsidentin und bald darauf Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, für sie „das Traumziel jeder juristischen Karriere.“ Auch in Karlsruhe blieb sie, was sie immer war: Kantig, furchtlos in ihren Entscheidungen, wenig harmoniesüchtig. Als die SPD-Bundestagsfraktion gegen den ersten Bundeswehreinsatz ausserhalb des Nato-Gebiets (damals in Somalia) klagte, wurde die Entscheidung ihres Senats zur großen Enttäuschung für die Parteifreunde. Das Urteil lautete nämlich: Nach vorheriger Zustimmung durch den Bundestag widersprechen solche Einsätze nicht dem Grundgesetz. Damit begann für Deutschland außenpolitisch ein neues, bis heute umstrittenes Kapitel.

Auch bei anderen Urteilen, die die Republik erregten, blieb sie sich treu. Sie stand hinter dem sogenannten Kruzifix-Urteil des 1. Senats, nach dem Kreuze im Klassenzimmer abgehängt werden müssen, wenn auch nur ein Schüler dies verlangt.

Für einen Entrüstungssturm sorgte auch das Urteil zum berühmt-berüchtigten Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“. Das Gericht war der Meinung, Autoaufkleber mit diesem Zitat seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Freiheit der Bürger war ihr wichtig

Meinungsfreiheit und persönliche Freiheit der Bürger waren ihr immer besonders wichtig. Zu große Wissbegier des Staates war ihr suspekt und sie beklagte öffentlich „das unersättliche Sicherheitsbedürfnis“. Sie stellte immer wieder die Frage, ob die Einbußen an Freiheit in einem angemessenen Verhältnis zum Gewinn an Sicherheit standen.

Jutta Limbach hat in ihrem Leben viel Glück gehabt und das war ihr immer bewusst: Drei Kinder, auf die sie stolz war, eine gute Ehe, immer wieder Aufbrüche in neue Welten. Vor ein paar Jahren sagte sie einmal: „Wenn ich meinen beruflichen Lebensweg anschaue, dann wäre das schon ein Mangel an Dankbarkeit und Demut, wenn ich da noch irgendeinen Mangel aufzeigen wollte.“

Barley über Limbach: „Resolute und streitbare Kämpferin“

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, die Limbach während der gemeinsamen Zeit am Bundesverfassungsgericht kennengelernt hatte, erklärte: „Ich habe sie als sehr resolute und streitbare Kämpferin für unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie erleben dürfen.“ Limbach habe sich auch in ihrer Rolle als Frau gegen Widerstände innerhalb des Hauses bewiesen, so Barley. „Sie war sehr mutig und sehr stark und hat das Bundesverfassungsgericht geprägt und nach vorne gebracht.“

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Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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