Inland

Eine neue Qualität rechter Gewalt

In Weimar sprengten Neonazis die 1. Mai-Kundgebung. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider erlebte die Attacken am eigenen Leib und berichtet von seinem Erlebnis.
von Karin Nink · 4. Mai 2015
SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider: Opfer einer Attacke von Neonazis am 1. Mai in Weimar
SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider: Opfer einer Attacke von Neonazis am 1. Mai in Weimar

Wie haben Sie den Angriff der Nazis bei der 1. Mai-Kundgebung in Weimar erlebt? Was war Ihr erster Gedanke?

Ich wollte gerade mit meiner Rede beginnen, als sich ein Parolen skandierender Block Neonazis auf den Marktplatz zu bewegte. Erst konnte ich sie überhaupt nicht zuordnen und war konsterniert. Als auf ihren Schildern und Sprüchen Neonaziparolen erkennbar wurden, war mir klar, dass sie unsere Veranstaltung sprengen wollen. Ich lief ihnen entgegen und sagte ihnen, sie sollen verschwinden, was sie aber nicht taten, sondern in Richtung Mikrofon marschierten. Als ich das Mikro greifen wollte, kam es zu einer Rangelei, ich wurde von drei Männern abgedrängt und sie bemächtigten sich des Mikros, um ihre widerwärtigen Hassparolen über den Marktplatz zu verbreiten.

Ist das eine neue Qualität rechter Gewalt, die sich am 1. Mai in Weimar zeigte?

In der straffen Organisation und der Auswahl eines ungeschützten Ziels, eines friedlichen Familienfestes mitten in Weimar, auf jeden Fall.

Haben die Polizei und der Verfassungsschutz versagt, dass eine solche Attacke überhaupt möglich war?

Zumindest konnten die Angreifer gestellt werden. Ich warte zunächst die Ermittlungsergebnisse in dieser Woche ab, bevor ich mir abschließend eine Meinung bilde. Die Haupteinsätze der Polizei waren am 1. Mai zwei rechtsradikale Kundgebungen in Saalfeld und Erfurt. Auch deshalb konnten sich die aus verschiedenen Bundesländern angereisten Neonazis sicher sein, in Weimar auf nicht viel Widerstand zu treffen.

Welche Konsequenzen müssen daraus für die Behörden erfolgen?

Der dreiste Angriff war komplett geplant und durchexerziert. Die Angreifer kamen vorwiegend aus Sachsen und Brandenburg. Da ist das Bundesamt für Verfassungsschutz gefragt.

Ergeben sich auch für Sie persönlich Konsequenzen durch diesen Überfall?

Persönlich nicht. Ich werde nur noch viel aufmerksamer die rechte Szene beobachten und versuchen, die Zivilgesellschaft immer wieder auf die Gefahren für unsere labile Demokratie gerade in Ostdeutschland hinzuweisen.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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