Die Idee des Elterngeldes kommt von der SPD. Was ist das Besondere an dieser Leistung im Vergleich zu anderen?
Die finanziellen Belastungen für junge Familien, ja in vielen Fällen sogar ihr Armutsrisiko, hängen ja weniger mit den direkten Aufwendungen für Kinder zusammen als mit dem - in Deutschland
meist sehr langfristigen Ausfall - eines Einkommens. Hier setzt das Elterngeld an - anders als Leistungen wie Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag etc., die sich am Bedarf des Kindes
orientieren.
Das Elterngeld ersetzt nach unserem Konzept für ein Jahr zu 67% das Nettoeinkommen des betreuenden Elternteils. Selbstverständlich mit Obergrenze und Sockelbetrag. Wer nach der Geburt eines
Kindes seine Berufstätigkeit unterbricht, hat also erstmals eine eigene wirtschaftliche Absicherung, was für Alleinerziehende aber auch für Elternpaare existenziell wichtig ist. Die Familie kann
ihren Lebensstandard halten. Gleichzeitig unterstützen wir die schnellere Rückkehr von Müttern in den Beruf. Und Väter, auf deren meist höheres Einkommen die Familien oft nicht verzichten
konnten, haben mit der neuen Lohnersatzleistung zum ersten Mal die reale Chance, in Elternzeit zu gehen. Der für sie reservierte Anteil von zwei Monaten erleichtert es ihnen, diesen Anspruch im
Job auch durchzusetzen.
Die SPD fordert, dass das Elterngeld die Funktion einer Lohnersatzleistung haben soll, damit es auch für besser verdienende Männer attraktiv ist, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Wo
ist der Unterschied zur Vorstellung der Union?
Auch die Union will das Elterngeld im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes als Einkommensersatz zahlen. Unterschiede bestehen aber in der Frage der Bemessungsgrundlage. Und das ist ein
ganz zentraler Punkt. Während sich das Elterngeld nach SPD-Konzept am vorherigen Einkommen desjenigen Partners orientiert, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht (was ja auch in den
skandinavischen Vorbildländern der Fall ist), will die Union das Gesamteinkommen beider Elternteile als Grundlage nehmen. Das Elterngeld ist damit gleich hoch, egal ob Vater oder Mutter in
Elternzeit gehen. Das werden damit weiterhin überwiegend die - in der Regel geringer verdienenden Frauen - tun. Die alten Rollenmuster, die wir mit dem Elterngeld überwinden wollten, werden dann
trotz der neuen "Vater-Monate" eher zementiert.
Besteht die Gefahr, dass das Elterngeld zu einer "Herdprämie" werden könnte, die die bisherige Rollenverteilung verfestigt?
Diese Gefahr könnte mit dem Unions-Vorschlag - der ja bisher im Koalitionsvertrag nur als Prüfauftrag formuliert ist - insofern bestehen, als im Zweifel nicht-erwerbstätige Ehefrauen sehr
gut verdienender Männer eher das maximale Elterngeld erhalten könnten als erwerbstätige Paare mit Durchschnittsverdienst. Das Elterngeld wird dann zu einem Familiengeld durch die Hintertür statt
zu einem Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist mit der SPD nicht zu machen.
Laut Studie sollen Väter im Durchschnitt pro Tag sechs Minuten mehr Zeit mit Hausarbeit verbringen als kinderlose Männer. Der Soziologe Ulrich Beck bezeichnete diese Verhaltensweise als
"verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre". Kann das Eltergeld diese "Verhaltensstarre" aufweichen?
Wenn Paare Eltern werden, ändert sich natürlich ihr Alltag und auch die Aufgabenverteilung untereinander radikal - derzeit meist dahingehend, dass die Männer mehr als je zuvor im Job
engagiert und die Frauen allein für Haushalt und Kindererziehung zuständig sind. Die Grundlagen für die neuen Rollen in der Familie und die Bindung zum Kind werden in den ersten Lebensmonaten
gelegt. Mit dem Elterngeld können Väter es sich finanziell und auch beruflich viel eher "leisten", ihre Rolle hier aktiv wahrzunehmen. Das wird auch langfristig positive Auswirkungen haben.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.