Die Debatte um eine Reform des Prostitutionsgesetzes spaltet derzeit das Land wie nur selten ein Thema. Und das nicht nur zwischen den politischen Lagern von links bis rechts, sondern auch innerhalb der Parteigrenzen. Es spaltet die Frauenbewegten. Die Kirchen. Die Frauen. Die Männer. Da scheiden sich die Geister plötzlich dort, wo man sich bislang immer eines gemeinsamen Wertegerüsts sicher sein konnte. Die einen wollen die Prostitution verbieten lassen, weil sie der Auffassung sind, keine Frau und kein Mann prostituiere sich freiwillig. An die Spitze dieser Bewegung stellt sich etwa Alice Schwarzer, die im Herbst vergangenen Jahres mit prominenter Unterstützung einen Appell gegen Prostitution startete. Wiederum andere halten ein Verbot für kontraproduktiv und wollen SexarbeiterInnen stattdessen schützen.
Die Einordnung, ob Prostitution den betroffenen Frauen und Männern sowie einer Gesellschaft insgesamt schadet, muss jeder Mensch für sich beantworten. Weil es auch eine moralische Entscheidung ist und weil es hier kein eindeutiges Richtig und Falsch gibt. Doch wenn Menschen in dieser Frage zu einem ganz persönlichen Urteil kommen können, müssen das vor allem auch die Prostituierten selbst dürfen.
Wir sollten akzeptieren, dass es Menschen gibt, die sich für diese Arbeit entschieden haben - auch dann, wenn wir das nicht nachvollziehen können und vielleicht auch aus Prinzip nicht nachvollziehen wollen. Ganz sicher heißt das nicht, dass niemand zur Prostitution gezwungen wird. Wenn wir aber die Prostitution verbieten, unterstellen wir allen Frauen und Männern, die Sex für Geld anbieten, sie hätten diese Tätigkeit nicht selbst gewählt. Das wiederum konterkariert die Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht für alle.
Noch viel schwerer aber wiegt: Mit einem Verbot schaffen wir den käuflichen Sex nicht ab, sondern verschlechtern nur die Arbeitsbedingungen der Prostituierten. Das zeigt auch das Beispiel Schweden, wo Freier seit 1999 bestraft werden. Ein Großteil der Sexarbeit hat sich verlagert, hauptsächlich ins Internet oder in private Wohnungen. Damit wird es für die Ermittlungsbehörden immer schwieriger, das Gewerbe zu erfassen und zu kontrollieren. Und es wird schwieriger, die Frauen und Männer zu erreichen, die besonders auf Hilfe angewiesen sind. Prostitution verschwindet nicht durch ein Verbot. Dass das so ist, belegt die Recherche eines schwedischen Fernsehsenders im vergangenen Jahr. Danach wurde allein in der Hauptstadt Stockholm jedes Jahr 250.000 Mal für Sex bezahlt.
Doch wieder zurück nach Deutschland. Bei der Weiterentwicklung des Prostitutionsrechts geht es nicht darum, Prostitution zu verharmlosen, auch nicht um Klientelpolitik für die Sexarbeitsbranche und schon gar nicht um das Kleinreden von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Es geht darum, die SexarbeiterInnen vor Gewalt und vor Ausbeutung zu schützen. Und es geht darum, ihnen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Ein Verbot, so viel steht fest, würde die Bedingungen für sie nur verschlechtern. Denn auch das ist klar: Erst die Illegalität ist der Nährboden für kriminelle Energie.