Inland

Ein Jahr Zeitenwende: Wie kann der Ukraine-Krieg beendet werden?

Bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zum Jahrestag von Olaf Scholz' Zeitenwende-Rede gibt sie durchaus kontroversen Perspektiven auf den Ukraine-Krieg Raum. Einig sind sich letztlich alle, dass auch diplomatische Mittel notwendig sind.
von Jonas Jordan · 28. Februar 2023
Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (r.) im Gespräch zur Bedeutung von einem Jahr Zeitenwende.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (r.) im Gespräch zur Bedeutung von einem Jahr Zeitenwende.

Der Otto-Wels-Saal im Reichstagsgebäude ist am Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt, das Medieninteresse entsprechend groß. Insbesondere auf Verteidigungsminister Boris Pistorius sind viele Kameras gerichtet, als er um kurz vor 19 Uhr den Raum betritt, in dem ansonsten die SPD-Bundestagsfraktion für ihre Sitzungen tagt. Eine Etage tiefer hat Bundeskanzler Olaf Scholz exakt ein Jahr zuvor in einer Sondersitzung des Bundestages den Begriff der Zeitenwende geprägt. Zum ersten Jahrestag hat sich die SPD-Bundestagsfraktion vorgenommen, verschiedene Perspektiven zu beleuchten und auch darüber zu sprechen, wie der Ukraine-Krieg zu einem Ende kommen könnte.

Mützenich: „Die Entspannungspolitik trägt nicht die Verantwortung für den russischen Überfall auf die Ukraine“

Das stellt auch der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich in seinem Eingangsbeitrag klar: „Die Bevölkerung will verschiedene Antworten auf den Einschnitt in die internationale Friedensordnung.“ Deutschland sei bereits vor dem russischen Überfall einer der größten Unterstützer der Ukraine gewesen. „Die Unterstützung war breit und sie soll auch breit bleiben“, sagt Mützenich. Er räumt eigene Fehler ein und zeigt sich zugleich in Bezug auf die Russlandpolitik irritiert über diejenigen, „die vorher schon alles gewusst haben“. Zudem stellt er klar: „Die Entspannungspolitik trägt nicht die Verantwortung für den russischen Überfall auf die Ukraine; die trägt alleine Präsident Putin und ich hoffe, dass er irgendwann zur Verantwortung gezogen wird.“

Im anschließenden Teil mit Verteidigungsminister Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze wird deutlich, dass die außenpolitische Strategie der Sozialdemokratie gleichermaßen sicherheitspolitische wie humanitäre Aspekte beinhaltet. „Nein, wir reduzieren unsere entwicklungspolitischen Vorhaben nicht. Denn Sicherheit besteht nicht nur aus militärischer Sicherheit“, verspricht Schulze. Jeder Euro, der in Krisenprävention investiert werde, zahle sich langfristig 4-7fach aus, rechnet sie vor. Mit Blick auf die Ukraine habe der Wiederaufbau mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bereits jetzt begonnen. „Wir bauen Kliniken und Infrastruktur wieder auf.“ Daran beteiligt seien auch 120 Städte und Kommunen mit direkten Partnerschaften in die Ukraine. Ein globales Bündnis für Ernährungssicherheit helfe, die weltweit in Folge des Krieges gestiegenen Lebensmittelpreise abzufedern.

Pistorius: „Deutsche Waffen retten gerade Leben in der Ukraine“

Verteidigungsminister Boris Pistorius rechnet vor, dass Deutschland mit militärischer Hilfe in Höhe von 3,4 Milliarden Euro und ziviler Hilfe in Höhe von 3,5 Milliarden Euro derzeit der größte Unterstützer der Ukraine auf dem europäischen Kontinent sei. Hinzu kämen die angekündigten Kampfpanzerlieferungen voraussichtlich in der übernächsten Woche. „Wir stellen alles um, um die Ukraine zu unterstützen. Denn es muss klar sein: Putin darf damit nicht durchkommen“, sagt Pistorius und macht zugleich deutlich: „So zynisch das auch klingen mag: Deutsche Waffen retten gerade Leben in der Ukraine.“

Verteidigungspolitisch müsse Deutschland gerade einen Dreiklang bewältigen: die Ukraine gegen den „russischen Aggressor“ unterstützen, die in den vergangenen Jahren entstandenen Lücken füllen und Rüstungsgüter nachbestellen, um diejenigen zu ersetzen, die an die Ukraine geliefert wurden. „Wir müssen leider wieder viel Geld für Waffen ausgeben. Das ist eine furchtbare Vorstellung, selbst für mich als Verteidigungsminister“, sagt Pistorius. Doch das sei notwendig für eine Strategie der Abschreckung und um die Bündnisverpflichtungen insbesondere gegenüber den mittel- und osteuropäischen Partnern zu erfüllen.

Diplomatie wichtig

Doch wie kann der Krieg in der Ukraine mittel- oder langfristig beendet werden? Für den SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner ist klar: „Man muss mit anderen reden. Diplomatie ersetzt das andere nicht, sondern kommt dazu.“ Jedoch könnten diplomatische Bemühungen nur erfolgreich sein, wenn sie hinter verschlossenen Türen stattfänden. Seine Position ist klar: „Es gibt keine sauberen Kriege. Jeder Tag, den der Krieg früher endet, ist ein guter, weil weniger Menschen sterben müssen.“

Der Militär-Experte Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität in München, spricht denn auch von einem historischen Moment, dass er sich mit Ralf Stegner einig sei, nämlich in Bezug auf die Notwendigkeit diplomatischer Verhandlungen. Jedoch macht er klar: „Natürlich wird dieser Konflikt letztlich durch Diplomatie entschieden.“ Jedoch fänden Verhandlungen immer auf der Grundlage der jeweiligen territorialen Basis statt. Insofern gehörten die diplomatische und die millitärische Logik zusammmen. Masala lobt in diesem Kontext auch die globalen Bemühungen des Bundeskanzlers: „Das, was Olaf Scholz macht, nämlich bestimmte Länder des globalen Südens einzubinden, ist extrem wichtig.“

SPD-Fraktionsvizin: „Wir alle wünschen uns Frieden“

Währenddessen mahnt Kristina Lunz, Mit-Gründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), langfristig Friedensbemühungen im Vergleich zu Verteidigungsausgaben auch finanziell zu stärken. „Wir alle wünschen uns Frieden und dass die schlimmen Kriegsverbrechen gestoppt werden“, fasst die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich, den Tenor der Veranstaltung zusammen. Putin müsse verstehen, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen werde.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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