"Ein Grundeinkommen für alle"
Was müssen die Gestaltungsprinzipien künftiger Sozialpolitik sein? Sind Strukturinnovationen geboten, die die weitgehend erwerbsbezogene Logik des bisherigen Sozialstaats verändern? Oder soll die seit den Workfare-Agenden von Reagan, Thatcher, Blair und Schröder („Agenda 2010“) forcierte Verschärfung der Kopplung von Erwerbsarbeit und Sozialeinkommen fortgeschrieben werden?
Wäre eine allgemeine, gleiche und unmittelbare Nutznießung aller Menschen an den Erträgen der kapitalistisch verfassten Wirtschaft durch sozialpolitische Regulierung ratsam? Und wenn ja, wie könnte diese Regulierung öffentlicher Güter als Ensemble sozialer Rechte gelingen? Würde ein allgemeines und gleiches, garantiertes Grundeinkommen in einem solchen Zukunftsentwurf eine zentrale Rolle einnehmen?
Zustimmung in allen Lagern
Die Idee des Grundeinkommens bietet sich auch deshalb an, weil sie seit einigen Jahrzehnten in allen politischen Lagern Gehör findet, wenngleich noch als Minderheitenposition. Ein Grundeinkommen würde in die Arbeits- und Lebenswelt eingreifen, indem es tief sitzende Werteorientierungen zur Funktion der Arbeit in Frage stellt. Zugleich aber würde dieses Konzept im Lichte unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Grundrichtungen auch sein Gesicht verändern. Die neue Plattform des Wohlfahrtsstaates dürfte die alten Farben der Politik tragen, auf neuem Niveau.
Ein Grundeinkommen ist das Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen, das jedes Mitglied einer Gesellschaft von dieser Gesellschaft unabhängig von Leistung und Herkunft beanspruchen kann. Eine Gesellschaft mit Grundeinkommen ist eine andere Gesellschaft als die heutige. Sie ist eine Gesellschaft für alle.
Ihre Institutionen richten sich zuerst, so die Idee, an den Menschenrechten aus. Etwa die Hälfte des gesellschaftlichen Einkommens wird vorgängig vor aller weiteren Verteilung über Arbeit oder Vermögen allen Bürgern als Grundrecht garantiert. Eine Grundeinkommensgesellschaft ist eine reiche Gesellschaft, die ihren Reichtum allen Mitgliedern zugänglich macht.
Zum Contra Grundeinkommen lesen Sie hier einen Beitrag von Carsten Schneider: "Nicht den ökonomischen Kollaps riskieren"
ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin und Professor für Sozialpolitik an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena.