Ehrenamt in Corona-Zeiten: Wie Sie jetzt helfen können
Herr Förster, welchen Einfluss hat die Kontaktsperre in der Corona-Krise auf das ehrenamtliche Engagement vor Ort?
Viel Ehrenamt kann derzeit nicht stattfinden, weil Kontakt verboten ist. Da fällt einiges weg. Das trifft das traditionelle Ehrenamt besonders, weil es überwiegend von Menschen getragen wird, die zur Risikogruppe gehören. Die klassischen Seniorennachmittage beispielsweise müssen ausfallen, und damit fehlt es an Möglichkeiten, ältere Menschen zusammen zu bringen. Diese Generation ist es nicht gewohnt, sich digital zu vernetzen oder gar zu engagieren. Das funktioniert teilweise zwar schon, aber bei den meisten läuft der Kontakt jetzt über das telefonieren. So versuchen wir derzeit auch den Seniorennachmittag zu kompensieren: wir suchen zum Beispiel Leute, die sich bereit erklären, Telefonpatenschaften zu übernehmen.
Trifft die Veränderung hauptsächlich Senior*innen?
Das klassische Engagement der AWO, das in den Ortsvereinen stattfindet, wird zu einem großen Teil von älteren Menschen getragen. Das spiegelt sich auch in unserer Mitgliederstruktur wider. Es gibt aber auch neue Formen des Engagements. Menschen, die in Kitas oder Pflegeheime gehen, um beispielsweise vorzulesen und die sich engagieren, ohne gleich Mitglied zu werden. Doch auch da gibt es jetzt Einschränkungen und einiges fällt weg.
Muss jetzt viel organsiert werden, weil Menschen sich engagieren wollen, aber nicht wissen wie?
Die AWO hat vielerlei Anlaufpunkte auf Landes-, Bezirks- oder Kreisebene und Freiwilligenagenturen, wo Menschen in Engagements vermittelt werden. Und von den dort aktiven Kolleg*innen hören wir, dass derzeit ein großer Run stattfindet von Menschen, die helfen wollen. An Hilfsbereitschaft scheint es derzeit nicht zu mangeln.
Dafür ist es manchmal schwieriger an die Leute ranzukommen, die die Hilfe brauchen. Vielleicht auch aus Angst, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Einige AWO Gliederungen bieten Telefonhotlines an, damit sie sich melden, wenn sie Hilfe brauchen und Unterstützung vermittelt werden soll. Denn das läuft nicht unbedingt über Webseiten. Und auch wir rufen wie viele andere Organisationen dazu auf, in der unmittelbaren Nachbarschaft Hilfsnetzwerke aufzubauen.
Ist die Hilfsbereitschaft in der Corona-Krise größer als sonst?
Das ist auf jeden Fall mein Eindruck und auch der vieler Kolleg*innen. Manche vergleichen das mit der Hilfsbereitschaft 2015, als viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. Sicherlich kommt derzeit noch der Effekt dazu, dass viele ihren eigenen Jobs nicht nachgehen können und sich trotzdem gebraucht fühlen wollen.
Welche neuen Ideen entstehen?
Klassiker momentan sind die Einkaufsdienste, also die Versorgung mit den notwendigen Dingen des täglichen Bedarfs. Wichtig ist aber auch die Versorgung mit menschlicher Zuwendung. Also ein Ersatz für gesellige Angebote, die die AWO sonst anbietet.
Neu ist aber auch, dass die derzeitige Situation die verschiedenen Generationen, die es in der AWO eben auch gibt, näher zusammenbringt. Da entstehen Kooperationen zwischen dem recht aktiven Jugendverband – dem Jugendwerk der AWO - mit dem Mutterverband, weil wir auf der einen Seite die Menschen haben, die Hilfe brauchen, die jungen Leute aber weniger Angst vor dem Virus haben müssen, sich gut über digitale Medien vernetzen und sagen, wir können was machen.
Wäre das etwas, was auch über die Krise hinaus Bestand haben könnte?
Mal abgesehen davon, dass wir alle nicht wissen, wann nach der Krise sein wird, stimmt es doch optimistisch, was jetzt gerade entsteht und was nachwirken wird. Das ist auf der einen Seite sicherlich, dass sich zunehmend ältere Menschen einer digitalen Welt öffnen, auch wenn sie vielleicht vorher gesagt haben, das betreffe sie nicht mehr. Als Verband hat uns schon länger die Frage beschäftigt, wie sich verhindern lässt, dass ältere Menschen, von denen viele in der AWO organisiert sind, durch die Digitalisierung immer mehr ausgeschlossen werden. Diese Entwicklung läuft jetzt im Zeitraffer ab, denn die Lücke, die digital gap, wird aktuell immer bedeutender. Deshalb überlegen wir, wie wir es organisieren können, dass die jüngere Generationen Ältere mehr unterstützten kann und ihnen digitale Grundkompetenzen vermittelt.
„Nicht jeder lebt in einem Akademikerhaushalt"
Projekte entstehen aber zum Beispiel auch bei der Nachhilfe für Schüler*innen, die derzeit von ihrem Elternhaus beschult werden und damit in mehr Abhängigkeit von den Eltern und deren Bildungshintergrund geraten. Je länger diese Situation andauert, je mehr verstärkt sie soziale Ungleichheiten, denn nicht jede oder jeder lebt in einem Akademikerhaushalt. Unter Nutzung digitaler Medien bilden sich immer mehr Patenschaften, um Schüler*innen bei den Hausaufgaben zu helfen. Auch da entstehen Kontakte, die es vorher nicht gegeben hat und eine Bereitschaft, die vielleicht auch über die Krise hinaus weiter existieren kann.
Angenommen, ich möchte mich engagieren, wo kann ich mich melden?
Gerade richten wir – teilweise auch gemeinsam mit anderen Akteuren - viele Telefonnummern und Webseiten möglichst dezentral vor Ort ein. Hier können sich Menschen melden, die helfen wollen oder Hilfe suchen. Ansonsten ist es aber immer möglich, sich beim Bundesverband unter awo.org/ehrenamtlich-engagieren zu melden. Dort werden Kontakte weitergegeben und die Kolleg*innen sagen auch, wo vor Ort die Anlaufstellen sind.
*Georg Förster ist Referent für Verbandsentwicklung und Mitgliedschaft beim AWO Bundesverband.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.