„Ehe für alle“: Wie die SPD die Union vor sich hertreibt
CDU und CSU im Bundestag kochen vor Wut. „Vertrauensbruch“, „Koalitionsbruch aus Kalkül“, „überfallartig“ schimpft man in der Union auf den Koalitionspartner. Jahrelang hatten CDU und CSU erbittert gegen jede Gleichstellung homosexueller Paare mit Eheleuten gekämpft – bei jedem einzelnen Gesetz, auf allen Ebenen: in der Bundesregierung, im Bundestag, im Bundesrat und vor dem Bundesverfassungsgericht. Und nun gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Abstimmung über die „Ehe für alle“ im Bundestag plötzlich frei.
SPD erfreut über „Umdenken“ Merkels
„Wir freuen uns sehr“, sagt Christine Lambrecht, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, am Mittwoch in Berlin. Die SPD nutze „bis zum Schluss alle Möglichkeiten, den Koalitionspartner zu überzeugen“. Und „das hat offensichtlich gefruchtet und bei Frau Merkel zu einem Umdenken geführt“, so Lambrecht. „Spät, aber immerhin.“
Doch von einem Umdenken kann in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion keine Rede sein: Die Union votierte am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestages gegen den Gesetzentwurf des Bundesrates über die „Ehe für alle“. Die SPD-Fraktion überstimmte daraufhin zusammen mit Grünen und Linken die Union – erstmals seit Beginn der großen Koalition. Somit erhielt das Gesetz im Ausschuss die erforderliche Mehrheit. Damit „ist die erste Hürde genommen“, freut sich Christine Lambrecht.
Union blockiert weiter wo sie kann
Am Freitag soll nun der Bundestag über das Gesetz in letzter Lesung abschließend entscheiden. Doch erneut blockiert die Unionsfraktion. Sie will verhindern, dass das Gesetz zur „Ehe für alle“ auf die Tagesordnung des Bundestages kommt.
„Die Union ist zutiefst durcheinander“, kommentiert SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht. „Die Union tut sich mit ihrem Rumgeiere keinen Gefallen.“ Es mache keinen Sinn, erst eine Abstimmung freizugeben und dann genau diese Abstimmung verhindern zu wollen. „Einen größeren Widerspruch gibt es doch gar nicht“, kritisiert Lambrecht.
SPD stimmt mit Grünen und Linken
Die SPD jedenfalls will sich davon nicht beirren lassen. Lambrecht appelliert an CDU und CSU, ihre letzte Blockade aufzugeben. Sollte die Union am Freitagmorgen dennoch gegen eine Aufnahme der „Ehe für alle“ in die Tagesordnung des Bundestages stimmen, werde man erneut zusammen mit Grünen und Linken für die nötige Mehrheit sorgen, so Christine Lambrecht.
Und sie geht noch einen Schritt weiter: Die SPD-Fraktion werde am Freitag für eine namentliche Abstimmung im Bundestag über die „Ehe für alle“ sorgen. Damit wird dann klar, wer aus der Unionsfraktion für und wer gegen die „Ehe für alle“ ist. Das dürfte CDU und CSU noch weiter in die Bredouille bringen, erwarten politische Beobachter.
Lambrecht: „längst überfällige Entscheidung“
Auch wenn es in der Unionsfraktion Befürworter der Öffnung der Ehe gibt, die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind nicht eindeutig. Christine Lambrecht weißt daraufhin, dass den 310 Unionsabgeordneten 320 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken gegenüber stehen. Deshalb gelte für die Abstimmung am Freitag: „Alle müssen an Bord sein.“
Für die Fraktionsgeschäftsführerin der SPD ist die „Ehe für alle“ „ein wichtiges und richtiges Signal“, ein „Meilenstein“ in der Gleichberechtigung. Nachdem der Gesetzentwurf des Bundesrates dem Bundestag seit zwei Jahren zur Abstimmung vorliege, sei das Votum des Parlamentes in dieser Woche eine „längst überfällige Entscheidung“.
SPD: Kein Koalitionsbruch
Kritik aus der Union, die SPD begehe mit der Abstimmung einen Vertrauens- oder gar Koalitionsbruch, weißt Lambrecht klar zurück. Kanzlerin Merkel habe „die Abstimmung selbst freigegeben“. Daher könne sich die Union in dieser Frage auch nicht darauf berufen, die Koalitionsparteien müssten gemeinsam abstimmen.