Eckpunkte: Wie die Ampel Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen will
IMAGO/Rupert Oberhäuser
Am Mittwoch will die Bundesregierungen ihre Eckpunkte für die erleichterte Einwanderung von Fachkräften beschließen. Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft in Deutschland arbeiten wollen, sollen so schneller ins Land kommen und eine Arbeit aufnehmen können.
Warum braucht Deutschland Zuwanderung?
Die Anzahl der Beschäftigten in Deutschland sinkt seit Jahren rapide. Viele Unternehmen können nicht mehr im benötigten Umfang ausbilden, finde kein qualifiziertes Personal mehr. Ein Grund ist, dass die geburtenstarken 50er- und 60er-Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, nach und nach in Rente gehen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden bis 2036 rund 13 Millionen Erwerbspersonen das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass pro Jahr eine Zuwanderung von 400.000 Fachkräften aus dem Ausland notwendig ist, um das auszugleichen.
Wie läuft die Zuwanderung bisher ab?
Insgesamt wächst Deutschland seit 2014, was in erster Linie an Geflüchteten aus Afghanistan, Syrien und zuletzt der Ukraine liegt. Der Anteil der Menschen im erwerbstätigen Alter ging in dieser Zeit jedoch zurück, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Wer aus einem „Drittstaat“ – also keinem Land der Europäischen Union – kommt und in Deutschland arbeiten möchte, muss bestimmte Kriterien erfüllen, etwa ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen, einen Arbeitsvertrag und eine Ausbildung, die gleichwertig ist mit einer deutschen Ausbildung. So steht es im Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist. Für akademische Berufe gibt die „Blaue Karte“ der Europäische Union die Voraussetzungen vor.
Was möchte die Bundesregierung ändern?
Die Ampel möchte das Einwanderungsrecht so verändern, dass es Menschen aus Drittstaaten erleichtert wird, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Dafür sollen die Voraussetzungen vereinfacht werden, etwa indem Arbeitskräfte auch dann eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie den Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation zunächst nicht oder nur teilweise erbringen können. So steht es in dem 23-seitigen Eckpunktepapier, das dem „vorwärts“ vorliegt.
Zudem sollen auch Menschen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, wenn sie zwar bereits viel Berufserfahrung haben, aber keinen Abschluss nachweisen können. Wer „gutes Potenzial“ hat, eine Arbeitsstelle in Deutschland zu finden, soll ebenfalls anreisen dürfen. Das Potenzial soll über ein Punktesystem ermittelt werden, das etwa Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, aber auch Deutschlandbezug und Alter berücksichtigt.
Was hat das alles mit der Frage der Staatsangehörigkeit zu tun?
Gar nichts. Die Einwanderung von Fachkräften wird in einem anderen Gesetz geregelt als die zurzeit viel diskutierte Erleichterung von Einbürgerungen. Wer nach Deutschland kommt, um hier zu arbeiten, will nicht gleich die deutsche Staatsbürgerschaft. Arbeitsmarkt- und Integrationsexpert*innen weisen jedoch darauf hin, dass Deutschland deutlich attraktiver für Arbeitskräfte aus dem Ausland ist, wenn sie hier eine dauerhafte Perspektive haben und auch demokratisch mitbestimmen dürfen.
Wie geht es nun weiter?
Am Mittwoch will das Bundeskabinett die Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung beschließen. Danach werden die Bundesministerien für Arbeit, Inneres, Auswärtiges, Wirtschaft sowie für Bildung einen Gesetzentwurf erarbeiten, den die Bundesregierung im ersten Quartal 2023 in den Bundestag einbringen möchte. Federführend sind die Ministerien für Inneres von Nancy Faeser und für Arbeit von Hubertus Heil.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.