Dürfen Kommunen Wohnungen für Flüchtlinge beschlagnahmen?
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Containern und Zeltstädten ist nur eine provisorische Lösung. Früher oder später benötigen sie Wohnungen. Neue Wohnungen zu bauen ist eine Möglichkeit, Wohnungen am Markt anzumieten eine andere. Rechtlich sind auch Eigenbedarfskündigungen und Beschlagnahmungen möglich. Aber nicht alles, was rechtlich machbar ist, wäre auch politisch klug, vieles ist auch gar nicht geplant.
Können Kommunen den Mietern kommunaler Wohnungen kündigen, weil sie Raum für Flüchtlinge brauchen?
Vermieter können dem Mieter einer Wohnung zwar nicht einfach so kündigen, sondern sie müssten laut Bürgerlichem Gesetzbuch ein "berechtigtes Interessen" an der Kündigung haben (§ 573). Als ein solches berechtigtes Interesse gilt zum Beispiel der Eigenbedarf des Vermieters für sich und seine Angehörigen. Auch eine Kommune, die eine eigene Wohnung an Privatpersonen vermietet, kann den Mietern aus "berechtigtem" Interesse kündigen. Ob man die Unterbringung von Flüchtlingen als "Eigenbedarf" bezeichnet, ist dabei zweitrangig, da es jedenfalls um eine Aufgabe der Kommune geht und daher ein "berechtigtes Interesse" vorliegt.
Können auch kommunale Wohnungsunternehmen kündigen, weil die jeweilige Kommune Raum für Flüchtlinge braucht?
Grundsätzlich ja. Auch hier würde wohl ein berechtigtes Interesse an der Kündigung angenommen. Der Bundesgerichtshof hat dies 2012 für einen ähnlichen Fall entschieden. Damals hat eine evangelische Kirchengemeinde einem Mieter gekündigt, weil die Diakonie in der Wohnung eine Eheberatungsstelle unterbringen wollte. Der BGH hat dies akzeptiert, weil Kirchengemeinde und Diakonie sich "nahestehen". Ein solches Näheverhältnis hat auch eine kommunale Wohnungsgesellschaft zur Kommune, der sie gehört.
Wie können sich Mieter gegen eine derartige Kündigung wehren?
Auch bei Kündigungen aus "berechtigtem Interesse" haben die betroffenen Mieter ein Widerspruchsrecht, wenn die Kündigung für sich oder ihre Angehörigen "eine Härte" bedeuten würde. Eine Härte liegt laut Bürgerlichem Gesetzbuch ausdrücklich vor, "wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann" (§ 574). Auch hohes Alter, Krankheiten oder Schwangerschaften der Mieter können eine Härte sein. Letzlich sind in solchen Fällen die Interessen von Vermieter und Mieter im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.
Können Kommunen leerstehenden privaten Wohnraum beschlagnahmen?
Ja. Möglich ist dies nach dem jeweiligen Landespolizeigesetz, um eine gegenwärtige Gefahr zu beseitigen. Da eine spezielle Regelung fehlt, müsste man sich auf die allgemeine polizeirechtliche Generalklausel berufen. Die Hürden wären aber hoch, da in Rechte Unbeteiligter eingegriffen würde (die Wohnungseigentümer haben die drohende Wohnungslosigkeit von Flüchtlingen ja nicht verursacht). Möglich ist dies nur, wenn keine anderen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Die Eigentümer müssen dann auch entschädigt werden.
Der Stadtstaat Hamburg will in sein Polizeigesetz einen speziellen Paragraf einfügen, der die "Sicherstellung privater Grundstücke und Gebäude oder Teile davon zum Zwecke der Flüchtlingsunterbringung" erleichtert. Laut Gesetzesbegründung zielt die Norm vor allem auf leerstehende Gewerbeimmobilien wie Industriehallen ab. Das Gesetz soll auch den Umbau gegen den Willen der Eigentümer ermöglichen. Auch hier sollen den Eigentümern Entschädigungsansprüche zustehen.