Inland

Dulig zu Pegida: „Wir müssen Haltung zeigen“

Sie nennen sich „klar denkend “ und protestieren gegen die Islamisierung in einem Bundesland, in dem der Anteil der Muslime bei 0,1% liegt: die Anhänger von Pegida. Martin Dulig über den Umgang mit Menschen, die von rationalen Argumente nichts hören wollen und warum die Bewegung gerade in Dresden so einen Zulauf hat.
von Sarah Schönewolf · 17. Dezember 2014
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Herr Dulig, wie nehmen Sie die Stimmung in Dresden aktuell wahr?

Hier treffen zwei Stimmungen aufeinander. Zum einen gibt es hier Menschen, die Ängste mit sich tragen, eigene soziale Abstiegssorgen haben, die unzufrieden sind mit der Politik und ihren Vertreterinnen und Vertretern. Deren Sorgen werden gerade aufgefangen von Leuten, die ein ganz anderes Ziel verfolgen:  Sie wollen eine Sammelbewegung sein, die eher Hass und Fremdenfeindlichkeit schürt als wirklich für eine Lösung dieser Probleme zu plädieren.

Auf der anderen Seite haben wir eine große Anzahl von Menschen, die erschüttert und wütend über die bedrohliche Kulisse sind, die „Pegida“ Flüchtlingen gegenüber aufbaut. Viele Menschen gehen daher auf die Straße um zu zeigen, dass Dresden eine offene Stadt ist. Dresden hat immer davon gelebt, dass Menschen hier her gekommen sind, gearbeitet oder studiert haben und sich eingebracht haben. Ohne diese Vielfalt wäre Dresden nicht die wunderschöne Stadt, die sie heute ist.
 
Beide Stimmungen treffen hier aktuell zusammen und es gibt nicht Wenige, die beschämt darüber sind, was für ein Bild von Dresden durch die Pegida-Bewegung nach außen getragen wird.
 
Wie erklären Sie sich den Zulauf von Pegida speziell in Sachsen, wo doch die Zahl der hier lebenden Muslime sehr gering ist?

„Pegida“ ist kein rein sächsisches und auch kein rein ostdeutsches Problem. Diese Art von Diskussionen tauchen gerade überall in Deutschland auf, ob in Dortmund, Hannover oder Köln. In Sachsen ist es aber am sichtbarsten. Das liegt auch daran, dass hier in den letzten Jahren ein Nährboden entstanden ist für Meinungen und Entwicklungen, die jenseits des Tolerierbaren sind. Ich erinnere nur daran, dass die NPD hier zehn Jahre lang im Landtag gesessen hat und in allen Kreistagen vertreten ist. Seit Oktober sitzt mit der AfD eine rechtspopulistische Partei im Landtag. „Pegida“ gibt vorhandenen Ressentiments und Vorurteilen eine Bühne, auf der sie lautstark präsentiert und weiter geschürt werden.
 
Hat also die Politik zu spät auf die Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung reagiert?

Zivilgesellschaftliches Engagement wurde in Sachsen lange Zeit zu wenig gefordert und gefördert. Man hat die politische Kultur und die politische Bildung schleifen lassen. Das rächt sich jetzt. Ich will aber auch nach vorn schauen. Wir wollen uns gerade in der neuen Regierung mit der CDU dieser Aufgabe stellen. Wir haben uns eine neue politische Kultur verordnet. Wir haben sogar eine Staatsministerin eigens für die Bereiche Gleichstellung und Integration berufen. Und natürlich haben Herr Tillich und ich klar Haltung zu Pegida bezogen. Wir gehen das Problem an.
 
Welche Möglichkeiten hat die Politik die Pegida-Demonstranten zu erreichen?
 

Es wird äußerst schwierig. Die meisten, die bei den Pegida-Demonstrationen mitlaufen, fordern, dass die Politik ihnen zuhört. Sie sind aber zugleich selbst nicht gesprächsbereit. Hier bricht sich einfach der Zorn gegen „die da oben“ Bahn und macht ein vernünftiges Gespräch schwierig. Wir werden trotzdem nicht aufgeben und genügend Gesprächsangebote machen.

Wenn es beispielsweise um Abstiegsängste geht, die einige Menschen auf die Straße bringen, müssen wir über eine sozial gerechtere Gesellschaft sprechen. Das bleibt unser Ziel. Wir dürfen Menschen nicht hinten runterfallen lassen. Und dann ist es natürlich unsere Aufgabe, in politische Bildung und politische Kultur zu investieren damit solche Bewegungen perspektivisch keinen Nährboden mehr haben. Wir werden nicht aufhören Gesicht zu zeigen und klar zu machen, dass wir für eine weltoffene Stadt eintreten.
 
Wir dürfen uns keinesfalls wegducken. Gerade jetzt müssen wir offen kommunizieren, begründen, erklären und klar informieren. Wir müssen Haltung zeigen. Wir dulden nicht, dass Menschen bedroht werden, die bei uns Schutz suchen. Klarheit und Offenheit hilft auch bei denen, die skeptisch sind. Häufig erlebe ich in Einzelgesprächen, dass die Skepsis weicht, sobald die Fakten auf den Tisch kommen. Viele Sorgen und Nöte erweisen sich dann als unbegründet, manche Forderungen als längst geltendes Recht. Wer ernsthaft gesprächsbereit ist, dem werden wir ernsthafte Antworten geben. Wer das nicht ist, dem laufen wir auch nicht hinterher.

 

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Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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