Druck auf Seehofer wächst: Kommunen wollen Geflüchtete aufnehmen
Felix Zahn/photothek.net
Dass die Lage im griechischen Lager für Geflüchtete „Moria“ katastrophal ist, ist seit langem bekannt: In Zeiten der Corona-Pandemie mussten laut der Hilfsorganisation „Seebrücke“ Tausende in Zelten oder im Freien schlafen, es gab nicht genügend sanitäre Anlagen, für Nahrung mussten die Menschen oft stundenlang anstehen. Abstand halten, sich vor dem Virus schützen, war in dieser Situation nicht möglich.
In dem Lager, das ursprünglich für 3.000 Personen ausgelegt ist, lebten bis gestern Abend mehr als 13.000 Menschen. In der Nacht zum 9. September ist in dem überfüllten Lager auf der griechischen Insel Lesbos ein Großfeuer ausgebrochen. Inzwischen sind fast alle Bewohner*innen evakuiert, der Brand scheint unter Kontrolle.
Städte stehen bereit
Gleichzeitig haben sich in den vergangenen Jahren über 170 Städte und Kommunen allein in Deutschland zum „sicheren Hafen“ erklärt. Das bedeutet, dass sie bereit sind, ab sofort Menschen aufzunehmen.
Das bekräftigte am gestrigen Mittwoch auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert auf Twitter: „Die Zustände in Moria werden einmal mehr zur Schande für Europa. Wir verweisen seit Monaten auf die unhaltbaren Zustände im Lager. Es muss jetzt darum gehen, den Menschen, die gerade ihr Hab und Gut verloren haben, eine sichere Zuflucht zu geben.“
Nach den Bränden forderte er die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf. „Es muss jetzt darum gehen, den Menschen, die gerade ihr allerletztes Hab und Gut verloren haben, zügig eine sichere Zuflucht zur geben. Jetzt bleibt keine Zeit, es braucht eine sofortige Verteilung“, erklärte Schubert. Er ist auch Vorsitzender des Bündnisses „Potsdam! bekennt Farbe“. Das Städtebündnis „Städte Sicherer Häfen“ hat seit der Gründung im Juni 2019 die Aufnahmebereitschaft seiner Städte mehrfach gegenüber der Bundesregierung erklärt.
Auch die Bundesländer Thüringen und Berlin hatten Landesaufnahmeprogramme für Geflüchtete beschlossen. All diese Initiativen werden vom Innenminister Horst Seehofer blockiert. Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller sagte: „Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer verheerenden Katastrophe in Moria kommt. Deutschland muss jetzt seine humanitäre Verantwortung ernst nehmen und die Lager evakuieren.“ Berlin bleibe bei seiner Bereitschaft der Aufnahme von geflüchteten Menschen.
Forderung: „Ratspräsidentschaft nutzen“
Der Potsdamer Oberbürgermeister fordert darüber hinaus, dass die Bundesregierung ihre Ratspräsidentschaft nutzt, um die seit Jahren offene Verteilungsfrage von Geflüchteten endlich zu lösen, notfalls ohne einen Konsens aller Mitgliedsstaaten.
„Dieses jahrelange Gezerre ist doch ein Armutszeugnis für die Handlungsfähigkeit europäischer Institutionen. Wenn man sich in Europa nicht auf ein gemeinsames Asylrecht einigen kann, ist die europäische Wertegemeinschaft Makulatur“, betont Mike Schubert.
Denjenigen in Europa, denen nicht nur das Recht auf Asyl, sondern auch andere Rechtsstaatsprinzipien der Europäischen Union scheinbar egal seien, dürfe es nicht länger erlaubt werden, Lösungen zu blockieren und damit den Glauben in ein handlungsfähiges Europa zu unterminieren, betonte Schubert. Er forderte auch Sanktionen für jene Länder, die das Recht auf Asyl missachteten und gegen gemeinsame europäische Prinzipien verstießen.
Erschienen am 10. September auf demo-online.de.
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.