Inland

Dortmund: SPD-Vertreterin von Rechten mit dem Tod bedroht

Dorothea Moesch verteidigt ihre Heimat gegen Rechtsextreme. In Dortmund kann das schon mal gefährlich werden. Die dortige Szene gilt als besonders aggressiv. Das hat die SPD-Bezirksvertreterin nun zu spüren bekommen.
von Robert Kiesel · 10. Juli 2015
Dorothea Moesch
Dorothea Moesch

„Jeden verdammten Montag.“ Unzählige Male sind Dorothea Moesch und ihre Mitstreiter zuletzt gegen rassistische Hetze auf die Straße gegangen. „Jeden verdammten Montag“ hatte die rechtsextreme Splitterpartei „Die Rechte“ irgendwo im Dortmunder Stadtgebiet eine sogenannte Mahnwache angemeldet, „jeden verdammten Montag“ stellten Moesch und die anderen sich den Neonazis entgegen. Ausgerechnet eine am Dienstag vor einer Woche abgehaltene Mahnwache wurde der SPD-Bezirksvertreterin nun zum Verhängnis. Weil ihre Handynummer in die Hände von Neonazis geriet, wurde Dorothea Moesch zur Zielscheibe für Beleidigungen und Morddrohungen.

Blanker Hass in Dortmund

„Der erste Anruf kam knapp 15 Minuten nach Beginn der Demo mit unterdrückter Nummer“, erklärt Dorothea Moesch, an den Wortlaut erinnert sie sich noch ganz genau: „Du Hexe wirst brennen, genau wie die anderen Fotzen“, hatte ihr der anonyme Anrufer „hasserfüllt“ ins Ohr gebrüllt. Ein weiterer Anruf am Abend enthielt die Drohung: „Wir kriegen Euch alle, wir stehen vor deiner Tür.“

Nun ist Dorothea Moesch keine, die sich schnell aus der Bahn werfen lässt. „Ich lass mich doch von solchen Spinnern nicht einschüchtern, soweit kommt es noch“, sagt sie im Gespräch mit „vorwärts.de“. Moesch räumt aber ein: „Anderthalb Tage lang hatte ich schon richtig Bammel, so was ziehste auch nicht mit den Klamotten aus.“ Wie „zum Abschuss freigegeben“ habe sie sich gefühlt. Dorothea Moesch ist seit ihrem 37. Lebensjahr auf einen Rollstuhl angewiesen.

Gab die Polizei die Daten bewusst weiter?

Die alles entscheidende Frage: Wie kamen die anonymen Anrufer – einen Tatverdächtigen hat die Polizei in Dortmund mittlerweile ermittelt – an die Handynummer von Moesch? Die schockierende Antwort: Höchstwahrscheinlich durch die Polizei selbst. Weil Moesch an diesem Tag die Gegenkundgebung zur Mahnwache angemeldet hatte, musste sie den Beamten ihre persönlichen Daten preisgeben. Diese landeten samt Auflagenbescheid in den Händen der politischen Gegner und wenig später über Twitter im Internet. Hämisch kommentiert mit den Worten: „Ups, so sieht also der Auflagenbescheid der SPD-Gegendemo in Oestrich aus.“

Alles nur ein „Unfall“? Oder wurde den Neonazis der Bescheid bewusst zugespielt? Während die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat ermittelt, beteiligt sich Dorothea Moesch lieber nicht an Spekulationen. Klar ist: Im aufgeheizten Dortmunder Klima zwischen Rechtsextremen und ihren Gegnern käme eine Indiskretion der Polizei einer Parteinahme gleich. „Wir dürfen die Dortmunder Zustände nicht aus den Augen lassen“, sagt Moesch immer wieder. Gerade die Polizei in Dortmund sollte wissen, dass „wer hier seine Nase gegen Rechts aus der Deckung hält, mit Bedrohungen rechnen muss“, so Moesch.

Lange Liste gewaltsamer Übergriffe

Beispiele dafür gibt es genug. So tauchten in Dortmund zu Jahresbeginn Anzeigen auf, in denen Journalisten mit dem Tode bedroht wurden. Adressiert waren sie an jene, die sich besonders intensiv mit den Umtrieben der rechten Szene in der Stadt beschäftigen. Einer von ihnen wurde im März nach einer Demonstration von Neonazis in Dortmund-Derne mit Steinen beworfen und erneut mit dem Tode bedroht. Bereits im Mai 2014 hatten Neonazis versucht, eine Feier nach der Wahl zum Dortmunder Stadtrat gewaltsam zu stürmen. Zuletzt wurde ein Büro der Piratenpartei mit Stahlkugeln beschossen. Kurz darauf tauchte eine „Bekenner-Mail“ auf, unterzeichnet vom 2012 verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO).

Zentraler Akteur der Dortmunder Neonazi-Szene ist seit dem Verbot des NWDO die ebenfalls 2012 gegründete Partei „Die Rechte“. Von Beobachtern als Nachfolgepartei des NWDO bezeichnet, fallen zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen beiden Gruppen ins Auge. Die Stadt Dortmund gilt als Hochburg der Partei, bei der Kommunalwahl im Mai 2014 errang sie einen Sitz im Stadtrat. Dieser wird mittlerweile von Dennis Giemsch, einem ehemaligen Mitglied des verbotenen NWDO, besetzt. Ein weiteres Kommunalmandat konnte die vom Verfassungsschutz als „ideologisch wesensverwandt zum Nationalsozialismus“ beschriebene Partei in Hamm erringen.

„Intelligente Anführer“ mit brutalen Anhängern

Von der Gefahr der Partei überzeugt ist auch Dorothea Moensch. „Die haben intelligente Kräfte an der Spitze, das sind keine Dumpfschläger. Wenn nötig schicken sie aber ihre Unterhunde los, und die sind brutal“, so die resolute Frau. Sich ihnen in den Weg stellen will sie sich aber auch weiterhin. Wenn unbedingt nötig, dann auch „jeden verdammten Montag“.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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