Inland

Döpfner-Zitate: Ostdeutsche SPD-Politiker*innen sind empört

Laut Springer-Chef Mathias Döpfner, seien alle Ostdeutsche entweder „Kommunisten oder Faschisten". Ostdeutsche SPD-Politiker*innen reagieren mit heftiger Kritik und stellen eine klare Forderung.
von Sebastian Thomas · 19. April 2023
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„Was für ein widerliches, anmaßendes Menschenbild generell und im Speziellen über den Osten hat dieser Mann?“, fragt Kathrin Michel, Landeschefin der SPD Sachsen, zu den jüngst getätigten Aussagen von Mathias Döpfner, Vorstandvorsitzender des Axel-Springer-Verlags. Dieser hatte sich in kürzlich von der Wochenzeitung „Die Zeit“ geleakten SMS-Nachrichten abwertend über Ostdeutsche und Muslim*innen geäußert.

Durch seine Aussagen würden Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien über einen Kamm geschoren und diffamierend dargestellt. „Das ist eine Art der tendenziösen Berichterstattung, die bei diesem Medium nicht gesondert verwundert, aber bei der Macht des Verlagshauses dennoch besonders schwer wiegt“, sagt sie in einer Anfrage des „vorwärts“. Das gehöre ihrer Meinung nach klar benannt.

Dennoch ist die SPD-Politikerin nicht verwundert, eine solche Meinungsäußerung vom Springer-Chef zu lesen. „Die Worte von Herrn Döpfner haben ihren Ursprung auch in einem erheblichen Mangel an Selbstreflektion“, erklärt sie. Eine Sache jedoch vermisst die sächsische SPD-Chefin in der ganzen Debatte: Persönlichkeiten ohne ostdeutsche Wurzeln. „Hat man Angst vor negativer Berichterstattung?“

Keinen Respekt vor der Lebensleistung Ostdeutscher

Generell gebe es jetzt für sie nur eine richtige Reaktion auf die Aussagen des Springer-Chefs: „Dieses Medium sollte nicht mehr gekauft werden.“ Eklatant sinkende Verkaufszahlen seien „die beste Antwort auf einen solchen Unfug.“

Verärgert und genervt, zeigt sich auch die brandenburgische SPD-Bundestagabgeordnete Maja Wallstein. Doch ebenso wie Kathrin Michel haben sie die Döpfner-Aussagen keineswegs überrascht. „Die Springer-Presse, allen voran die Bild-Zeitung, ist beim Aufhetzen stets vorn mit dabei“, erklärt die 37-Jährige. Die „Bild“ profitiere von Empörung, da sei natürlich auch eine gewisse Geisteshaltung dahinter.

„Respekt vor Menschen, insbesondere vor der Lebensleistung der Ostdeutschen, habe ich von Seiten der ‚Bild‘-Zeitung noch nie wahrgenommen“, urteilt sie. Auch in ihrem Wahlkreis seien die Menschen wenig verwundert gewesen: „Sie sprachen von einem ‚menschenverachtenden System der Bild-Zeitung‘, welches ‚brutal, rücksichtslos und ohne jeden Respekt für Mitmenschen‘ agiert“, erzählt sie.

Im Osten immer schon klare Kante gegen Demokratiefeind*innen

Andere fanden die Äußerungen „widerlich, unglaublich, aber auch längst bekannt“. Für Maja Wallstein ist klar: „Schwierige gesellschaftspolitische Gemengelagen kann und darf man nicht pauschal abstempeln - benennen ja, sichtbar machen auch, aber nicht verurteilen, sondern angehen.“ Man müsse miteinander und nicht übereinander reden. Schließlich werde sie gelassen mit solchen Äußerungen umgehen und „stattdessen den Menschen in meiner Region zeigen, dass ich ein deutlich anderes, wertschätzendes Bild habe, weil ich eben auch eine von ‚diesen Ossis‘ bin“, sagt Maja Wallstein.

Außerdem das Bild eines dummen und demokratiefeindlichen Ostens zu zeichnen, „finden wir in Brandenburg vollkommen absurd, denn hier wurden seit es Brandenburg gibt, immer nur sozialdemokratische Ministerpräsident*innen gewählt und die haben immer klare Kante gegen Demokratiefeind*innen gezeigt.

Mathias Döpfner habe in einem vertraulichen Kontext frei von der Leber weg geredet, was er von Ostdeutschen halte – und „das macht es erschreckenderweise noch schlimmer, weil man damit genau sieht, welche Grundhaltung dieser Mensch hat“, sagt Kevin Hönicke, stellvertretender Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg und Mitglied im Berliner SPD-Landesvorstand.

Ostdeutsche oft unterrepräsentiert

Außerdem sei es ein weiteres Beispiel für die Diskriminierung und Stigmatisierung von Ostdeutschen – und das, obwohl die Wende nun Jahrzehnte zurückliege. Der 38-Jährige hat in diesem Zusammenhang ein generelles Problem entdeckt, was er auch schon, wie er selbst sagt, bereits öfters thematisiert hat: die fehlende Repräsentation von Ostdeutschen, beispielsweise in der Politik und gerade in den sogenannten „neuen Bundesländern“.

Dabei blickt er auch auf seine eigene Partei: In der SPD seien viele Führungspositionen eher mit Westdeutschen besetzt. „Wenn man die aktuelle Besetzung des Berliner Senats betrachtet, kann man schon die Frage stellen, wer da eigentlich aus den östlichen Bundesländern stammt“, sagt er. Das Problem nehme er auch im Berliner SPD-Landesvorstand wahr, und zwar bei der Frage, wie stark die Ostverbände eigentlich eingegliedert sind.

„Dann erzählen Zugezogene immer, dass die Debatte doch bitte zu beenden ist und sie sich überlebt habe“, erzählt er. „Aber ich glaube, gerade so in den Außenbezirken Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Lichtenberg fühlen sich Menschen aus der ehemaligen DDR nicht ausreichend repräsentiert.“ Was Kevin Hönicke hingegen als gut bewertet, ist die Tatsache, dass sich kurz nach dem Erscheinen der Aussagen von Mathias Döpfner der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, zu Wort meldete und die Äußerungen des Springer-Chefs scharf verurteilte.

Keine halbherzige Entschuldigung

Von Ahnungs- und Respektlosigkeit gegenüber Ostdeutschen spricht auch Erik von Malottki, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Landesvorstand von Mecklenburg-Vorpommern. Dabei verweist er auf die Landesvorsitzende und amtierende Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: Sie empfinde die Aussagen als arrogant und unverschämt.

Von Malottki formuliert eine klare Forderung an den Springer-Vorstandsvorsitzenden: „Er sollte sich bei allen Ostdeutschen und Muslim*innen entschuldigen.“ Und zwar nicht so halbherzig, wie er es bereits getan habe, sondern „eine richtige Entschuldigung“, sagt der SPD-Politiker.

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