Inland

Donnerwetter für die Banken bleibt aus

von Yvonne Holl · 21. September 2014
Junge Frauen2
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Für die meisten Bundesbürger ist es ein viel gebrauchtes Hilfsmittel des Alltags: das eigene Girokonto. Die Miete geht davon ab, die Raten für´s Auto, die Kitagebühr und natürlich das Geld für Strom und Gas. So sehr gehört das Konto zum Leben, dass diese Zahl unvorstellbar scheint: 670 000 Menschen in Deutschland haben kein Konto, obwohl sie eines bräuchten und möchten. 

Die Zahl hat die EU-Kommission ermittelt, Verbraucherorganisationen gehen von einer Dunkelziffer aus, weil sich nicht alle Betroffenen melden. Sie kritisieren auch, dass bereits kurzzeitige Arbeitslosigkeit oder ein vor Jahren anderswo überzogenes Konto zur Ablehnung führen können. Pamela Wellmann von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen: „Es geht um ganz normale Konten, wo nichts weiter geschehen ist.“

Kosten in Millionenhöhe

1,5 Millionen Zahlungsanweisungen zur Verrechnung musste die Bundesagentur für Arbeit 2011 an Empfänger ohne Bankverbindung aufgeben. Das verursachte Kosten von 10,86 Millionen Euro.
Der Wechsel zu einer anderen Bank hilft Betroffenen oft auch nicht weiter. Denn ähnlich wie bei Versicherungen kursieren auch unter Geldhäusern „schwarze Listen“. „Wer bei zwei Banken abgelehnt wurde, hat bei den anderen meist auch keine Chance mehr“, weiß der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling. Das Problem ist keinesfalls neu: 1996 definierte die Deutsche Kreditwirtschaft eine freiwillige Selbstverpflichtung der Banken, Kunden mindestens ein so genanntes „Girokonto auf Guthabenbasis“ anzubieten. Solche Konten, auch „Girokonto für Jedermann“ oder schlicht „Guthabenkonto“ genannt, können nicht überzogen werden, es gibt keinen Dispo-Kredit. Mit der Selbstverpflichtung wollten die Finanzhäuser eine Verpflichtung per Gesetz verhindern.

„Die Selbstregulierung der Branche ist gescheitert“, attestiert Carsten Sieling. Die SPD-Fraktion hat deshalb als erste Partei eine gesetzliche Verpflichtung beantragt. Pamela Wellmann von der Verbraucherzentrale NRW pflichtet bei: „Ich kann nicht sehen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung zum Erfolg geführt hat.“ Auf Verbandsebene würde diese Regel zwar ernstgenommen, „aber in den Filialen kommt das nicht an“, so ihre Erfahrung. 

Liz Ehret von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung bestätigt, die Regelung würde „sehr unbefriedigend umgesetzt“. Viele Menschen erführen nicht einmal einen Ablehnungsgrund. „Es gipfelte darin, dass eine Sparkasse zehn Euro für die Ablehnung verlangte.“

25 Euro Kontoführungsgebühr 

Hohe Gebühren verlangen viele Banken auch für das im Sommer 2010 eingeführte „P-Konto“, das „pfändungsfreie Konto“, das Bürger vor Überschuldung schützen soll, insbesondere Bezieher von Hartz IV oder solche, die eine Privatinsolvenz hinter sich haben. P-Konten bewahren einen Betrag von 985,15 Euro vor dem Zugriff von Gläubigern. Nutzer sind natürlich Menschen, die knapp bei Kasse sind. Umso unverständlicher, dass bis zu 25 Euro Monatsgebühr für P-Konten verlangt werden. Daher der Punkt im SPD-Antrag: „Wir verlangen, dass die Gebühren von P-Konten die üblichen Girokonto-Kosten nicht übersteigen“, so Sieling.

Schwarz-Gelb wartet auf die EU 

Die Grünen und die Linke haben mit eigenen Anträgen zu einer gesetzlichen Verpflichtung nachgezogen. Die Bundesregierung hat festgestellt, dass sich „die Situation unfreiwillig kontoloser Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nicht nachhaltig verbessert hat“.  Ändern will Schwarz-Gelb vorerst trotzdem nichts. Sondern warten, bis die EU eine Regelung vorlegt. Der Kreditwirtschaft kann das nur Recht sein. Sie sieht ohnehin keinen Handlungsbedarf und hält die EU-Zahlen für zu hoch gegriffen. Höchstens 2500 Personen hätten unfreiwillig kein Konto. 

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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