Seit dem Jahr 1972 verleiht die Stadt Düsseldorf den mit 50 000 Euro dotierten Heinrich Heine-Preis für politisch engagierte Schriftsteller. Dieses Jahr hatte eine Jury mit dem Segen des
Düsseldorfer OB Joachim Erwin den Preis dem renommierten, aber politisch mehr als umstrittenen Autor Peter Handke zugesprochen. Handke hat sich mehrfach politisch für die Serben eingesetzt und vor
allem damit tiefe Verärgerung ausgelöst, dass er an der Beisetzung des serbischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic teilgenommen hatte.
Kulturstaatssekretär Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) war bei der entscheidenden Jury-Sitzung nicht dabei gewesen, nach eigener Aussage wegen eines Streits mit OB Erwin (CDU) über dessen
"nachhaltig fehlende Bereitschaft zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Land." Grosse-Brockhoff muss es wissen, war er doch früher Kulturdezernent in Düsseldorf. Als die Landtagsfraktionen
von SPD ("inakzeptabel") und Grünen ("unverantwortlich") dies kritisierten, distanzierte sich das Jurymitglied Chrsitoph Stölzl, Berliner CDU-Vize, öffentlich von Handke. Auch NRW-Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers ging bei der Trauerrede für Paul Spiegel, Zentralratspräsident der deutschen Juden und Düsseldorfer, auf Distanz zu der Entscheidung.
Angeblich vor allem die Journalistin Sigrid Löffler Handke gefördert. Als die Kritik nun massiv wurde, verteidigte sich Handke am Dienstag in der "FAZ", er habe nie die serbischen Massaker
verleugnet, Milosevic nie als Opfer bezeichnet und einen Vergleich zwischen Serben und Juden umgehend als "Unsinn" entschuldigt. Warum er dem Kriegstreiber und Diktator Milosevic die letzte Ehre
erwies, blieb offen. Doch sein Rückzug kam zu spät: Alle Fraktionen des Düsseldorfer Stadtrats beschlossen nun, mehrheitlich gegen die Verleihung zu stimmen. Auch die CDU, so Fraktionschef Dirk
Elbers, stimmt mit "Nein", und stellt sich damit gegen den eigensinnig,oft autoritären OB Erwin (CDU). Nun wird im 150. Todesjahr am 22. Juni wahrscheinlich niemand Heine-Preisträger werden, was
bisher einmalig ist in der deutschen Preis- und Kulturgeschichte.
Mit Ruhm hat sich dabei niemand bekleckert, weder die Jury, noch die Politik. Wer Heines und Handkes Werk auch nur ein bisschen kennt, muss sich schon wundern, wer da auf den Spuren eines
eben so witzigen wie fortschrittlichen Aufklärers ausgezeichnet werden sollte. Die an Peinlichkeiten reiche Lokalgeschichte der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ist um eine weitere Blüte
reicher. Das Gute ist, Heine ist immer noch nicht Klassiker genug, um nicht einen veritablen politischen Skandal auslösen zu können.
Stefan Grönebaum
Quellen: Süddeutsche Zeitung, Stuttgarter Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 30. und 31. Mai 2006.
war von 1994 bis 1998 Büroleiter und Persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Fikentscher.