Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Ausbildungsmarkt benachteiligt und diskriminiert werden. Den Unternehmen geht dadurch wertvolles Potenzial verloren.
Deutschland werde immer mehr zu einem „Auswanderungsland“, kritisiert Aydan Özoğuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Gut ausgebildete Jugendliche wandern in andere Länder wie die Türkei ab, aus Deutschland gebe es im Moment mehr Abwanderungen als Zuwanderung. Doch warum kehren gut ausgebildete Jugendliche Deutschland den Rücken?
Eine Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) zeigt erstmals, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt diskriminiert werden. Ausgangsfrage der Studie war, ob Jugendliche mit türkischem Namen auf dem deutschen Ausbildungsmarkt anders behandelt werden als Jugendliche mit einem deutschen Namen. Die Frage beantwortet die Studie klar mit ja.
Ergebnisse der Studie
Die Autoren der Studie „Diskriminierung am Ausbildungsmarkt – Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven“ führten einen bundesweiten Korrespondenztest an Ausbildungsbetrieben durch. Zwei Bewerbungen von fiktiven männlichen Schülern, beide überdurchschnittlich qualifiziert, wurden für die Berufe Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann an insgesamt 1794 Unternehmen geschickt.
Die Bewerber unterschieden sich weder in ihren Eigenschaften, noch in ihren Qualifikationen. Der einzige Unterschied: Der eine Bewerber trug einen türkischen Namen, der andere einen deutschen.
Gemessen wurde das Rückmeldeverhalten der Unternehmen. Die Art der Rückmeldung – Einladung zum Vorstellungsgespräch, Absage oder eine andere Form der Rückmeldung – spielte zunächst keine Rolle. Die Auswertungen zeigen, dass der Bewerber mit deutschem Namen insgesamt deutlich häufiger eine Antwort erhielt als der Bewerber mit türkischem.
Der Bewerber mit türkischem Namen wurde zudem seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen als sein Konkurrent und erhielt häufiger direkt eine Absage. Bewerber mit türkischem Namen müssen außerdem mehr Bewerbungen schreiben als jene mit deutschem Namen, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten. In Zahlen ausgedrückt: Im Ausbildungsberuf KfZ-Mechatroniker muss ein Bewerber mit einem türkischen Namen durchschnittlich eineinhalb Mal so viele Bewerbungen schreiben wie der Kandidat mit deutschem Namen.
Gründe für die Diskriminierung
Jan Schneider, Leiter des SVR-Forschungsbereichs, sieht in der Ungleichbehandlung von Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt ein „ernstzunehmendes Diskriminierungsproblem“. In der Studie sei ein Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Diskriminierungsrate erkennbar. Bei kleinen Unternehmen sei die Rate deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen.
Einen Grund für die Diskriminierung sieht Schneider in „unbewussten Assoziationen, stereotypen Zuschreibungen oder der Bevorzugung der eigenen Bezugsgruppe“. Die soziokulturelle Herkunft des Bewerbers löse bei vielen Unternehmern Ängste und negative Erwartungen aus: Stellt der Bewerber ein Risiko für das Unternehmen dar? Wie wird der neue Auszubildende von den Kunden angenommen? Kann er sich in das Team integrieren?
Das Potenzial voll ausschöpfen
Auf der einen Seite suchen viele Unternehmen händeringend nach Auszubildenden. Auf der anderen Seite finden tausende von Schulabgängern keinen Ausbildungsplatz – ein Paradox angesichts des Fachkräftemangels.
Jan Schneider und seine Kollegin Ruta Yemane geben in ihrer Studie Tipps, wie es besser geht. Sie empfehlen unter anderem eine Sensibilisierung in den Unternehmen, um Vorurteile abzubauen, ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren und eine stärkere Kooperation zwischen Unternehmen und Schulen.
Die Chancengleichheit von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt müsse zum Thema der Politik, von Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden, fordern die beiden Wissenschaftler. Aydan Özoğuz hat den Schwerpunkt ihrer Arbeit bereits auf die Ausbildung gelegt – ein erster Schritt, um die „unsichtbare Wand“ einzureißen und eine „ordentliche Einstellungs- und Ausbildungspraxis“ zu schaffen, sagt die Beauftragte.