Inland

"Direkte Demokratie macht die Politik sachorientierter"

von Gerald Häfner · 30. Juni 2009
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Politik gilt es nicht nur über die Köpfe der Bürger hinweg zu machen, sondern vor allem: mit ihnen. Sie sind die Betroffenen. Um ihr Leben, ihre Zukunft geht es. Ein modernes, demokratisches Gemeinwesen braucht ihr Engagement. Wer das Gefühl hat, nie gefragt und nie beteiligt zu sein, wendet sich von der Politik wie vom Gemeinwesen ab. Das Gefühl der Ohnmacht wächst. Dass "das Volk in der Demokratie etwas zu sagen hat" glauben heute nur 15 Prozent.

Das ist eine gefährliche Entwicklung, die wir ernst nehmen und auf die wir
Antworten geben müssen. Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheide er­höhen die Beteiligung und die Transparenz politischer Entscheidungen. 80 Prozent der Bürger fordern bundesweite Volksabstimmungen. Internationale Untersuchungen zeigen: Direkte Demokratie führt zu mehr Information und Diskussion unter den Bürgern. Sie stärkt Partizipation, Engagement und Legitimation ebenso wie die Integration und Identifikation mit dem Gemeinwesen. Sie macht die Politik sachorientierter und bürgernäher. Sie ersetzt nicht die parlamentarische Gesetzgebung. Sie ergänzt sie vielmehr in seltenen, außerordentlichen Fällen. Dies ist in vielen Ländern der Welt längst gute Praxis und übrigens auch Rechtslage in mittlerweile sämtlichen unserer Bundesländer.

Schon 2002 haben SPD und Grüne gemeinsam einen Entwurf für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene im Bundestag eingebracht. Noch immer aber betreibt die Union Funda­mentalopposition. Deshalb verfehlte diese wichtige Initiative knapp die erforderliche 2/3-Mehrheit. Der Wunsch nach Beteiligung nimmt zu. Und auch die Erfahrung damit. Gab es vor 20 Jahren noch 10 Bürgerbegehren im Jahr, so sind es derzeit mindestens 300.

Insgesamt gab es in der Bundesrepublik bereits über 4000 Volks- und Bürgerbegehren. So haben die Bür­ger in vielen Fällen Privatisierungen oder Cross-Border-Leasing-Geschäfte verhindert. Der Versuch des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust, sich in Gutsherrenart über die Entscheidungen der Bürger hinwegzusetzen, führte mittlerweile zu einer gesetzlichen Klarstellung der Gültigkeit von Volks- und Bürgerentscheiden auch in Hamburg.

Ein Einwand gegen die direkte Demokratie ist das einzigartig undemokratische Verhalten der Hamburger CDU aber sicher nicht. Eher ein Einwand gegen die Blockade der CDU in dieser Frage - und ein Argument für eine gut ausgestaltete direkte Demokratie.


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Autor*in
Gerald Häfner

Gerald Häfner (* 3. November 1956 in München) ist ein ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Häfner ist Publizist, Waldorflehrer und Sprecher des Bundesvorstandes von Mehr Demokratie eV. Bei der Europawahl 2009 wurde er ins Europäische Parlament gewählt.

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