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Dietmar Nietan: Söders Kreuze verstoßen gegen das Neutralitätsgebot des Staates

Bayern und die CSU missbrauchen mit dem Kreuz-Erlass ein Glaubenssymbol für ihre durchsichtigen Zwecke. Damit wird die Trennung von Staat und Religion eiskalt ausgehebelt. Die wachsweichen Reaktionen der Amtskirchen darauf sind eine große Enttäuschung.
von Dietmar Nietan · 30. April 2018
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Als bekennender Christ habe ich keinen Grund meinen Glauben zu verstecken. Religion ist eben nicht nur Privatsache. Sie muss auch ihren Platz im öffentlichen Raum haben. Menschen, die die Religion aus dem öffentlichen Raum „vertreiben“ wollen, sind mir daher eher suspekt.

Erkämpfte Trennung von Kirche und Staat verteidigen

Allerdings ist für mich auch eines klar: Gleiches Recht für alle! Wenn sich die eine öffentlich in der Mensa vor dem Mittagessen bekreuzigt oder der andere eine Kippa trägt, dann darf es auch kein Problem sein, öffentlich gen Mekka beten.

Das Zauberwort heißt Religionsfreiheit, die übrigens auch ebenso das Recht einschließt, frei von jeglicher Religion zu sein. Genau dieses Menschenrecht Religionsfreiheit muss der Staat garantieren. Und das kann der Staat nur glaubwürdig tun, wenn er sich nicht auf die Seite einer Religion schlägt. Deshalb muss die erkämpfte Trennung von Kirche und Staat auch jedem gläubigen Menschen ein Anliegen sein.

Antichristlicher Missbrauch des Kreuzes

Nun haben wir im Freistaat Bayern einen neuen starken Mann an der Spitze des Staates. Und im Herbst will dieser Markus Söder scheinbar um jeden Preis eine Landtagswahl gewinnen. Deshalb hat er angeordnet, dass demnächst überall in Bayerns staatlichen Behörden Kreuze aufgehängt werden sollen. Mich als Christen bestürzt, wie Herr Söder und seine CSU das Symbol meines Glaubens schamlos für ihre durchsichtigen Zwecke missbrauchen. Das ist wahrlich antichristlich!

Friedrich Wilhelm Graf hat es in einem exzellenten Gastbeitrag in der Süddeutschen auf den Punkt gebracht: „Es (das Kreuz) zum Zeichen irgendeiner bayerischen Kulturidentität umdeuten zu wollen, beschädigt nur seinen religiösen Gehalt. Hier wird mit einem Glaubenssymbol politisch Schindluder getrieben und so die Krise der kirchlichen Christentümer staatlich verstärkt.“

Amtskirchen schweigen zu Kreuz-Missbrauch

Erschütternd ist für mich allerdings nicht allein der Umstand, dass der bayrische „CSU-Staat“ unter Ministerpräsident Söder nunmehr endgültig als neutraler Garant der Religionsfreiheit ausfällt. Ebenso fassungslos stehe ich vor der Verlogenheit der ganzen Aktion: Gerade die Söders und Seehofers dieser Welt beklagen, dass der Islam ja keine Trennung von Religion und Politik kennen würde. Und nun führen genau diese Herren vor, wie man die Trennung von Religion und Politik eiskalt aushebelt.

Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Staates, Spaltung statt Versöhnung, Missbrauch und Entwertung religiöser Symbole. Das Sündenregister der CSU-Kruzifix-Kampagne ist lang. Deshalb sind für mich die - mit Ausnahme von Kardinal Marx - meist wachsweichen Reaktionen der offiziellen Amtskirchen auf diesen offensichtlichen Missbrauch des Kreuzes durch eine Partei, die auch noch (un)sinniger Weise das C im Namen führt, eine große Enttäuschung.

Schon Paulus warnte vor Gotteseiferern ohne Einsicht

Bestimmt meinte der Apostel Paulus auch Menschen, wie Markus Söder, als er schrieb:

„Liebe Brüder, meines Herzens Wunsch ist und ich flehe auch zu Gott für sie, dass sie gerettet werden. Denn ich bezeuge ihnen, dass sie Eifer für Gott haben, aber ohne Einsicht. Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und suchen ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten und sind so der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan.“ (Röm. 10:1 - 10:3)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Dietmar Nietan
Dietmar Nietan

ist seit 2014 Schatzmeister der SPD und seit 2022 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit.

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