Inland

Dienstleistungen in Deutschland qualifizieren

von Die Redaktion · 1. März 2006
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In den meisten öffentlichen Diskussionen über die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland sind die praktischen Vorschläge oft nicht ganz neu, die Analysen hingegen beeindruckend und eindringlich. Dies war auch bei dieser Veranstaltung der Fall. Von einer weit höheren Arbeitslosenzahl in Deutschland als fünf Millionen ging die Direktorin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Nürnberg, Prof. Dr. Jutta Allmendinger aus. Sie prognostizierte zudem sie einen weiteren Anstieg der Langzeitarbeitslosen, weil zur Zeit Menschen, die noch nicht so lange Arbeit suchen, mehr und bessere Förderung erhalten würden.

Arbeitsmarkt: starr und unflexibel

Häufig wird den Beschäftigten und Arbeitsuchenden in Deutschland mangelnde Flexibilität vorgeworfen. Starr und abgeschottet scheint jedoch eher der Arbeitsmarkt zu sein. Ältere Menschen, Migranten und Frauen haben keine oder schlechte Chancen einen Arbeitsplatz zu bekommen, so die Expertin vom IAB.

Zu wenig Horte, Ganztagsschulen, Kindergärten und frühkindliche Erziehung in erschweren die Situation Deutschland zusätzlich. Sie seien eine bedeutende Ursache für die noch immer ungleiche Aufteilung des Arbeitsvolumens zwischen Frauen und Männern, so die Arbeitsmarktforscherin. Knapp 70 Prozent der Mütter würden keine regelmäßige Hilfe für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen können. Die Folge: Frauen sind noch immer überwiegend geringfügig und im Teilzeit-Bereich beschäftigt, während Männer häufiger in Vollzeitarbeitsverhältnissen arbeiten und mehr Überstunden leisten.

Als weiteres Beispiel für die niedrige Flexibilität der Arbeitsmarktstrukturen in Deutschland nannte Jutta Almendinger die mangelnde Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Segmenten. "Wer in Deutschland im Niedriglohnsektor arbeitet, hat - anders als in vielen anderen Ländern - kaum Chancen in höher bezahlte Positionen zu kommen.

Bildungssystem: ineffizient

Wenn auch der Dienstleistungsmarkt heute vor allem aus Teilzeitarbeitnehmern, geringfügig Beschäftigten und wenig Vollzeittätigen bestehe, gehe der Trend zu hochqualifizierten Dienstleistern, erklärte die Direktorin des IAB. Dienstleistungen könnten allein schon durch die Befriedigung von vorhandenem Bedarf weiter ausgebaut werden, bestätigte Uwe Foullong vom ver.di-Bundesvorstand.

Der Ausbau des Dienstleistungssektors setzt allerdings ein leistungsfähiges Bildungssystem voraus, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Die bekannten Schwachstellen des gegenwärtigen deutschen Schulsystems, stehen dem entgegen. Darin waren sich die Teilnehmer an der Veranstaltung einig. Sie prangerten vor allem an, dass in Deutschland der Zugang zu höherer Bildung zu sehr von der sozialen Herkunft abhängt.

Dass eine große Anzahl von Jugendlichen über keine ausreichende Grundqualifikationen, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, verfüge, weise auf ein zweites erschreckend großes Defizit der deutschen Schulen hin. Bereits 25 Prozent aller heute 15-Jährigen hätten in diesen Bereichen Schwierigkeiten, stellte die Arbeitsmarktexpertin Jutta Almendinger fest. In Finnland und Irland gebe es dieses Phänomen bei keinem Schüler in diesem Alter.

Um überhaupt genügend Anwärter für eine Elitenförderung zu bekommen "müssen wir den Anteil der Kompetenzarmen reduzieren", resümierte sie. In der öffentlich häufig und euphorisch geführten Diskussion, wie herausragende hochbegabte junge Leute besser zu fördern sind, scheint man sich gern um diese profane Schlussfolgerung der Expertin herumzudrücken.

Mehr Mut und mehr Steuern für eine bessere Bildung forderte deshalb auch der Politikwissenschaftler Prof. Eichener von der Fachhochschule Düsseldorf. Das pädagogische Konzept, die Curricula und die Lehrerausbildung müssten geändert werden. Laut Untersuchungen sei die große Mehrheit der Deutschen bereit mehr Steuern zu zahlen, wenn das Geld in Forschung und Bildung fließe. Dem könne er sich nur anschließen

Fortbildung: unflexibel

Leider würden notwendige Fortbildungsbemühungen von Beschäftigten und Arbeitssuchenden in Deutschland durch eine unflexible Arbeitslosenunterstützung und eine starre Einstellungspraxis erschwert. In diesem Zusammenhang prangerte Jutta Almendinger mangelnde Möglichkeiten an, für eine begrenzte Zeit aus dem Beruf auszusteigen Angeblich würden solche Unterbrechungen dem weiteren Berufsweg schaden. Außerdem werde dem Alter in Deutschland eine zu hohe Bedeutung beigemessen. In Ländern wie den USA würde auf Alterangaben in den Bewerbungsunterlagen völlig verzichtet.

Fortbildungen im und für den Dienstleistungssektor werden künftig an Bedeutung gewinnen, denn Dienstleistungsmärkte wachsen - national wie international. Die Rationalisierung von Arbeitsplätzen in anderen Arbeitsmarktsegmenten tut ein Übriges. Man wird sich mit den Folgen eines allgemein abnehmenden Arbeitsvolumens auseinandersetzen und neue Arbeitsfelder suchen müssen. Vermutlich haben viele andere Länder dies bereits in ihre Planungen einbezogen. Deutschland muss nachziehen.

Karin Müller

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