Inland

Die vielen Leerstellen im CDU-Wahlprogramm

Inhaltlich unterscheiden sich SPD und CDU kaum noch, behaupten viele. Der genaue Blick in die Wahlprogramme zeigt jedoch das Gegenteil: Es gibt deutliche Unterschiede – viele SPD-Ideen sind in der CDU noch völlig unbekannt. Eine Analyse.
von Paul Starzmann · 21. September 2017
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Bis eine Partei zu ihrem Wahlprogramm kommt, ist es oft ein langer Weg: In Kommissionen und Arbeitsgruppen reden sich die Funktionäre die Köpfe heiß, auf Parteitagen wird heftig gestritten. Am Schluss liest dann kaum ein Wähler die vielen Forderungen und Vorschläge der Parteien.

Menschenrechte: CDU bleibt unkonkret

Dabei lohnt sich der Blick in die Wahlprogramme. Denn es gibt eine ganze Reihe von Themen, bei denen sich die Parteien deutlich unterscheiden – so auch SPD und CDU.

Zum Beispiel bei der Umsetzung von Menschenrechten: Nicht mehr als drei Mal findet dieser Begriff im CDU-Programm Erwähnung. Er kommt lediglich in allgemeinen Sätzen wie diesem vor: „Wir müssen Flagge zeigen für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat und Europa.“ Genaueres zum Thema gibt es nicht.

SPD will Diskriminierung eindämmen – im In- und Ausland

Anders im SPD-Wahlprogramm: Die Sozialdemokraten fordern eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“. Konkret heißt das: Zu viele deutsche Firmen profitieren von unwürdigen Arbeitsbedingungen im Ausland. Zum Beispiel, wenn sie Kinder in Ländern wie Bangladesch für einen Hungerlohn T-Shirts nähen lassen. Die SPD will das beenden. Sie will deutsche Firmen verpflichten, auch im Ausland soziale und ökologische Standards einzuhalten. „Rechenschafts- und Transparenzpflichten für Unternehmen entlang der Lieferketten“, lautet die Forderung im SPD-Programm. Der CDU hingegen scheint das Thema völlig fremd zu sein – in ihrem Wahlprogramm steht nichts dazu.

Die SPD will auch im Inland die Menschenrechtssituation verbessern. So wollen die Sozialdemokraten die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ausbauen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das rassistisches oder sexistisches Verhalten unter Strafe stellt, soll laut Parteibeschluss ausgeweitet werden. Die SPD will hier das Verbandsklagerecht einführen, damit etwa Migrantenselbstorganisationen gegen rassistische Diskriminierung vor Gericht ziehen können. Im CDU-Programm hingegen kommt das Wort „Diskriminierung“ gerade ein einziges Mal vor – in Deutschland dürfe es so etwas nicht geben, heißt es. Mehr wird nicht dazu gesagt.

Rechtsextremismus ist der CDU nicht der Rede wert

Der Begriff „Rechtsextremismus“ hat es überhaupt nicht ins Programm der Christdemokraten geschafft. Die Bedrohung durch Neo-Nazis ist der CDU nicht einmal der Rede wert – trotz der Welle rechter Gewalt, die gerade durchs Land rollt. Das SPD-Programm ist hingegen deutlich: Die Sozialdemokraten wollen Lehren aus dem NSU-Komplex ziehen, rassistische und antisemitische Einstellungen in der gesamten Gesellschaft besser erforschen und bekämpfen – auch in den Reihen von Polizei und Geheimdiensten.

Das SPD-Programm fordert außerdem eine Reform der Nachrichtendienste – hin zu mehr parlamentarischer Kontrolle. Eine Lehre aus dem Versagen des Verfassungsschutzes im NSU-Fall und der Causa Anis Amri, dem Terroristen vom Berliner Breitscheidplatz. Eine Sache, die der CDU offenbar entgangen ist – kein Wort dazu in ihrem Wahlprogramm.

SPD will Whistleblower besser schützen

Die Liste der Leerstellen im Unionsprogramm lässt sich fortsetzen: Kein Wort zu Wirtschaftskriminalität – die SPD hingegen will Whistleblower besser schützen. Keine Erwähnung von Waffenexporten – die SPD will diese eindämmern. Das Thema Asyl wird im CDU-Programm zwar mehrfach genannt, jedoch immer nur unter dem Gesichtspunkt der Abschiebung. Bei der SPD heißt es dagegen: „Das Recht auf Asyl muss auch in Zukunft unangetastet bleiben.“

An vielen Stellen hat das CDU-Programm große Lücken, oft bleibt es reichlich unkonkret. Nur bei einigen wenigen Punkten ist es etwas deutlicher: Zum Beispiel fordert die CDU jetzt auf einmal die gleiche Bezahlung von Mann und Frau. Immerhin! Endlich mal ein guter Vorschlag! Nur: Diese Idee ist abgekupfert – von der SPD.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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