Das von Ilse Fischer herausgegebene Buch beinhaltet Dokumente der SPD-Führungsgremien, darunter bisher unveröffentlichte Protokolle der Parteivorstands- und Präsidiumssitzungen aus den Jahren 1989/90. In ihnen spiegeln sich die rasch wechselnden Tagesereignisse während der Friedlichen Revolution und die lebhaften Diskussionsprozesse über die Frage der Einheit innerhalb der SPD wider. Hans-Jochen Vogel betonte die differenzierende Leistung der Dokumentation. "Sie zeigt die Unterschiede zwischen Einzelmeinungen und den Beschlüssen von Parteigremien." Dies sei im Rückblick manchmal zu kurz gekommen.
Die Zeit drängte
Für die damalige finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ingrid Matthäus-Maier, macht das Buch deutlich, wie sehr sich die SPD für die Einheit eingesetzt hat. Sie erinnerte noch einmal daran, dass sie als erste im Januar 1990 eine deutsch-deutsche Währungsunion vorgeschlagen habe. Diesen Vorschlag habe Kohl zuerst abgelehnt und später aufgenommen. Auch die wesentlichen Gedanken aus Kohls 10-Punkte Plan habe Hans-Jochen Vogel schon zuvor für die SPD formuliert. Aus rein ökonomischer Sicht hätte die Vereinigung allerdings Jahre dauern müssen, so Matthäus-Maier, machte aber auch deutlich: "Die Zeit drängte, auch weil die DDR auszubluten drohte."
Neue Ostpolitik und Helsinki als Voraussetzung
Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass die Grundlagen für die Friedliche Revolution und die Deutsche Einheit in den Jahrzehnten zuvor gelegt worden seien. Vor allem die Neue Ostpolitik und die KSZE-Schlussakte von Helsinki seien Vorraussetzungen für die Entwicklungen der DDR gewesen, so Vogel, ebenso wie vorher die Westintegration Konrad Adenauers. Manfred Stolpe konnte dem aus ostdeutscher Sicht nur zustimmen: "Besonders Helsinki war ein gewaltiger Impuls für ganz Osteuropa und enorm wichtig für die Entwicklungen in Polen, Ungarn und der DDR." Ohne Willy Brandts "Wandel durch Annäherung" wäre die ganze Geschichte anders gelaufen, so Stolpe abschließend.