Bei der Arbeit an einer Lobby-Studie für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung haben Sie eine interessante Entdeckung gemacht: Lobbyisten versuchen, mittels Sprache unser Denken zu beeinflussen. Wie sind Sie darauf gestoßen?
Bei Interviews haben uns mehrere Politiker berichtet, wie die – nennen wir sie mal „Lobby-Sprache“ – ihr Denken beeinflusst oder zumindest ihren Blickwinkel etwas umgelenkt hat. Oft haben die Akteure erst im Nachhinein festgestellt, dass Sie es nicht mit einem Fachjargon zu tun haben, sondern mit vorgefertigten Redeblasen. Nehmen sie zum Beispiel die „Staatsschuldenkrise“. Damit wird der Diskurs über die systemimmanenten Ursachen der „Finanzmarktkrise“ regelrecht abgewürgt. Das Wort verändert unsere Wahrnehmung von Ursache und Wirkung.
Wie funktioniert das Lobbyistenwerkzeug Sprache?
In der Praxis gibt es drei gängige Arbeitsmethoden. Die erste ist die Kreation neuer Begriffe. Hierbei geht es darum, Begriffe zu entwickeln, die eine interessengeleitete Botschaft in einfachen, eingängigen Worten transportieren. So wird aus „Sozialkürzungen“ „Kluges Sparen“ oder der Abbau von Arbeitnehmerrechten wird zu „leistungsfreundlichen Gesetzen“.
Die zweite Methode ist das Ersetzen negativ besetzter Begriffe durch positive. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn nicht von „Belastung“ der Arbeitnehmer, sondern von „Flexibilität“ gesprochen wird.
Bei der dritten Methode werden Begriffe umgedeutet, die scheinbar plausible Zusammenhänge suggerieren. Das beste Beispiel dafür ist der Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“, den die neoliberale „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ entwickelt hat. Oder Lobbyisten weisen aggressiv eine Behauptung zurück, die nur aufgestellt wurde, damit sie zurückgewiesen werden kann. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer“ ist ein solches Beispiel. In allen Fällen werden über die Begriffe Denkprozesse initiiert, die eine nachhaltige Wirkung auf den öffentlich-politischen Diskurs haben.
Wie empfänglich sind Politiker und Medien für die Begriffe und Slogans der Lobbyisten?
Ich glaube, es kommt ganz darauf an, wie kritisch man mit der Sprache umgeht. Ist ein Begriff oder Slogan gut, sickert er in den alltäglichen politischen und medialen Sprachgebrauch ein. Und vielleicht wird er sogar zu einem identitätsstiftenden Element. Der Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“ gehört hier wohl zu den raffiniertesten Erfindungen. Er hat es als interessengeleitetes Sprachprodukt bis in den Wahlkampf der CDU geschafft.
Auch Politiker selbst bedienen sich gerne kreativer Begriffe, zum Beispiel wenn sie von „robusten Mandaten“ statt von Kriegseinsätzen sprechen. Kann man den Lobbyisten ihre Sprach-Arbeit vor diesem Hintergrund überhaupt verübeln?
Nein, kann man nicht, sollte man auch nicht. Die Arbeit mit Sprache gehört zur Politik und ist Kern politischer Diskurse. Politik ist eben auch ein Kampf um Begriffe und Deutungshoheit. Wer etwas erreichen oder sogar verändern will, muss eigene Diskurse öffentlich inszenieren und führen. Dazu gehört nun einmal Sprache und ein „kreativer Umgang“ mit ihr. Das Problem liegt woanders. Es ist nicht immer klar, was „Lobby-Sprache“ ist – wie das Synonym „intelligente Wirksysteme“ für Streubomben – und was die Produkte des politischen Diskurses selbst sind – wie die Wörter „Herdprämie“ oder „Kopfpauschale“.
Wie kann man das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Interessen, die hinter einer bestimmten Sprache stehen, verbessern?
Wir brauchen einen kritischen Journalismus, der neue sprachliche Elemente daraufhin prüft, ob ein bestimmtes Interesse dahinter steht.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.