Die Last im Blick: SPD-Chefin Andrea Nahles zu Gast bei LKW-Fahrern
Am 1. Mai ab null Uhr wird sich an Deutschlands Autobahnraststätten wieder ein mittlerweile bekanntes Bild bieten: Ein Lastwagen reiht sich hinter dem anderen auf, kein Platz ist mehr frei, wenn das Fahrverbot am Feiertag beginnt. „Man findet kaum noch einen Platz, es gibt viel zu wenig Parkraum“, sagt Berufskraftfahrer Holger Büttner, 56 Jahre, es mangele etwa mancherorts an der Hygiene. Büttner fährt seine Strecken für die mittelständische Spedition Walter Schmidt GmbH & Co. KG, die im brandenburgischen Wildau ihren Sitz hat. Er tourt deutschlandweit, für die Arbeitsbedingungen in seiner Branche interessiert sich heute ein wichtiger Besuch: Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ist kurz vor dem Tag der Arbeit ins Gewerbegebiet gekommen, um sich ein Bild an der Basis des Transportgewerbes zu machen.
Spesen sollen steigen
In seinem Berufsleben auf der Straße haben Holger Büttner und seine Kollegen viel gesehen: Wie immer mehr Berufskollegen meist aus osteuropäischen Staaten wie Rumänien nach Deutschland kommen, die für Billiglöhne fahren und dadurch massiven Druck auf den Wettbewerb ausüben. Kollegen, die sich weder an Verkehrsregeln wie Tempolimit oder Überholverbote halten noch an die vorgeschriebenen Lenk- und Rastpausen. Die Situation auf den Rasthöfen ist schon aus hygienischen Gründen mancherorts unerträglich. Auch vor vielen Zentrallagern, die die Fahrer ansteuern, haben sie keinen Zugang zu den Sozialeinrichtungen.
Andrea Nahles interessiert sich auch für das scheinbar kleinste Detail: „Was kostet eine Dusche?“, fragt sie Büttner. Es sind drei Euro. 50 Cent müssen die Fahrer für die Toilette berappen – aus der eigenen Tasche. Spesen, das weiß Nahles, sind ein wichtiges Thema für die Fahrer. „Hier haben wir schon etwas erreicht, im kommenden Jahressteuergesetz werden die Regeln verbessert, darum habe ich mich gekümmert“, erzählt sie. In der kommenden Woche werde Finanzminister Olaf Scholz die Details vorstellen. So viel verrät sie schon: „Es geht ein paar Euro hoch für alle“.
Bessere Bezahlung für LKW-Fahrer
Im vergangenen Jahr hat sie sich schon einmal mit Lastwagenfahrern in Aachen zusammengesetzt: „Das war einer der Punkte, die den Fahrern gestunken haben, dass sie weniger haben als andere vergleichbare Fahrer“, sagt Nahles. Mit dem Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner, der stellvertretender verkehrspolitischer Sprecher der SPD ist, hat sie auf diese Verbesserungen für deutsche Fahrer gedrängt – mit Erfolg. Ein weiterer Fortschritt: Die Stellen zur Kontrolle der LKW sollen aufgestockt werden.
Auf EU-Ebene hat das Europäische Parlament jüngst einen Mobilitätspaket zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Transportsektor verabschiedet. Dafür hat sich besonders die SPD eingesetzt. Damit können nun Rat, EU-Kommission und EU-Parlament auf Kompromisssuche gehen. Fernfahrer sollen besser bezahlt werden. Außerdem soll das Nomadentum vieler Arbeiter auf dem Asphalt, die wochenlang in den Fahrerkabinen campieren müssen, eingeschränkt werden.
Großer Fachkräftemangel
Während die SPD-Parteivorsitzende mit Fahrern, aber auch mit der Geschäftsführerin der Walter-Schmidt-Spedition Ramona Sabelus an einem Tisch sitzt, wird ihr deutlich vor Augen geführt: „Wir haben hier ein ganz großes Problem mit Fachkräftemangel bei den Fahrern. Wir wollen deshalb die Arbeitsbedingungen für die LKW-Fahrer verbessern, um den Beruf für jüngere Leute interessanter zu machen“, betont Nahles. Es sei schwer, Leute für diese schwere Arbeit in der ,old economy' zu finden“, betont Sabelus. Professor Dirk Engelhardt, Chef der Branchenverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) spricht von einem Durchschnittsalter von mehr als 50 Jahren bei den Fahrern. Für Andrea Nahles steht fest: „LkW-Fahrer brauchen wir ganz dringend. Das ist einer der großen Engpässe im Wirtschaftssystem in Deutschland.“ Die Logistikbranche sei eine wachsende: „Wir müssen diese Lebensader der Deutschen Wirtschaft sichtbarer machen.“
Nicht zuletzt sind die Kosten für die Ausbildung, vorgeschriebene Führerschein-Module und und IHK-Prüfungen teuer und zeitaufwendig, beklagen die Fahrer. Das mache die Ausbildung wenig attraktiv für Junge. Udo Schiefner regt deshalb an, eine Arbeitsgruppe mit Experten zum Ausbildungsbild bei Berufskraftfahrern bei der SPD-Fraktion einzurichten.
Wunsch nach mehr Flexibilität
Ein weiteres Thema, das die Spediteure und Fahrer umtreibt, sind die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten. Problematisch ist zum einen, dass Be- und Entladezeiten für den Fahrer anfallen, der ohnehin eine lange Fahrt hinter sich hat. Die Branche hofft auch auf mehr Flexibilität. Hier steht der 1. Mai als Beispiel für alle Feiertage: Manche Fahrer wären nur noch eine oder zwei Stunden von ihrem Zuhause entfernt, aber: Sie können nicht heimfahren, wegen der gesetzlichen Regelungen. Die SPD-Chefin nimmt von dem Treffen jedenfalls mit, dass sie sich mit Fahrzeiten und der Frage der Be- und Entladungen beschäftigen wird, „wie man sie so organisieren kann, dass die Leute am Ende des Tages auch noch ihre Familien sehen“.
Nach einer kurzen Fahrt oben auf dem Bock eines 40-Tonnen-Sattelzuges wird ihr auch die Einsamkeit der Fahrer bewusst: „Sie sind sehr allein.“ Mal mit einem Shuttle in ein Kino oder in die nächste Stadt fahren, das würden die Fahrer sich wünschen, erzählt Nahles. „Das ist ein Thema, da müssten wir noch einmal extra darüber nachdenken.“
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.