Am Donnerstag hat sich die große Runde der Koalitionsverhandlungen zum siebten Mal getroffen. Union und SPD einigten sich darauf, die Staatsschulden abzubauen und versprachen Verbesserungen bei der Pflege und in der Integrationspolitik.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles brachte die Stimmung der Gespräche auf den Punkt: „Die Nervosität steigt. Es geht um was.“ Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD nähern sich ihrem Ende, in der kommenden Woche soll der Vertrag stehen. „Die schwierigen Verhandlungen kommen zum Schluss, und das ist harte Arbeit“, kündigte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an. Doch auch an diesem Donnerstag sind die drei Parteien bei ihren Verhandlungen ein gutes Stück vorangekommen.
Zentrales Thema war die Haushaltspolitik einer möglichen großen Koalition. Man habe „ein klares, striktes Bekenntnis zur Schuldenbremse“ vereinbart, berichtete Gröhe. Darüber hinaus soll die Staatsverschuldung bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode von 80 auf 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesenkt werden. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll sie sogar auf 60 Prozent des BIP sinken. Neben einer soliden Haushaltspolitik sei auch eine spürbare Stärkung des Handlungsspielraums von Kommunen verabredet worden, ergänzte Andrea Nahles. Um das Verhältnis der Bund-Länder-Finanzen zu reformieren, soll eine Kommission eingerichtet werden, die bis zur Mitte der Legislatur Vorschläge für eine Neuregelung des Solidaritätszuschlags sowie des Länderfinanzausgleichs erarbeitet.
Über neue Ausgaben wird noch verhandelt
Ein umstrittener Punkt bleibt dagegen die Finanzierung künftiger Regierungsprojekte. Sowohl Hermann Gröhe als auch sein CSU-Kollege Alexander Dobrindt schlossen Steuererhöhungen am Donnerstag erneut kategorisch aus. Vorschläge aus den Verhandlungsgruppen, die mit staatlichen Mehrausgaben verbunden wären, kommen deshalb weiter auf eine sogenannte F-Liste. Welche dieser Vorschläge finanziert werden können, soll erst am Ende der Verhandlungen entschieden werden. Noch am Donnerstag werde geklärt, welche - wenn auch geringen - Spielräume es für neue Ausgaben gebe, kündigte Dobrindt an.
Die Diskussion „spitzt sich jetzt zu“, sagte Nahles. Sowohl die Parteien als auch die Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen müssten jetzt klären, wo sie bei den Ausgaben ihre Prioritäten setzen wollen.
Vergrößert werden könnte der finanzielle Spielraum des Staates allerdings, indem er härter gegen Steuerbetrüger durchgreift. In den Steuerbehörden und bei der Steuerfahndung solle das Personal aufgestockt werden, kündigte Andrea Nahles an.
"Ärztliche Versorgung neu aufstellen"
Mehr Personal, das ist auch ein Ziel der Arbeitsgruppe Gesundheit, deren Ergebnisse am Donnerstag in der großen Verhandlungsrunde ebenfalls thematisiert wurden. Ziel sei es, „die ärztliche Versorgung neu aufzustellen“, sagte Nahles. Unter anderem sollen 100 000 zusätzliche Pflegekräfte eingestellt werden. Gröhe kündigte einen moderaten, schrittweisen Anstieg der Beiträge für die Pflegeversicherung an. Dieser werde nötig, wenn die geburtenstarken Jahrgänge pflegebedürftig würden. Und Dobrindt ergänzte: „Es muss bei der Pflege mehr Betreuung geben.“ Die Chefunterhändler von SPD und CDU, Karl Lauterbach und Jens Spahn, sollen einer Lösung für die Finanzierung suchen.
Vereinbart wurde auch, dass Asylverfahren künftig nicht länger als drei Monate dauern sollen. „Das ist im Interesse der Schutzsuchenden“, sagte Dobrindt. Zudem wollen die drei Parteien Initiativen fördern, die Migranten dabei unterstützen, die deutsche Sprache früh zu erlernen. Die SPD würde auch gerne die sogenannte Optionspflicht abschaffen und die doppelte Staatsbürgerschaft einführen. Doch hier sei man „noch nicht am Ziel“, räumte Nahles ein.
Anfang der kommenden Woche steht das Finale der Koalitionsverhandlungen an. Ab jetzt trifft sich nur noch die "große Runde". Die Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit beendet. „Wir haben alle Arbeitsgruppen jetzt einmal durchdiskutiert“, sagte Alexander Dobrindt und nutzte zur Beschreibung des Status Quo ein martialisches Bild: „Die Kanonen sind geladen. Jetzt kommt es darauf an, wer die Lunte zieht." Dass die Verhandlungen länger dauern als üblich, werteten die Generalsekretäre der drei Parteien als Beleg dafür, dass man strittige Punkte besonders gründlich kläre. „Lieber einen Prüfauftrag weniger und eine Entscheidung mehr“ wünschte sich Andrea Nahles für den Koalitionsvertrag.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.