„Die Grundrente kommt für viele Menschen gerade gelegen“
imago/IPON
Gustav Horn, bis vor kurzem wurde zwischen SPD und CDU/CSU noch über die Finanzierung der Grundrente gestritten, jetzt wurde im Bundestag darüber abgestimmt. War das also nur ein politischer Vorwand oder ist die Finanzierung wirklich ein großes Problem?
Ich glaube schon, dass die CDU das als vorgeschobenes Argument genommen hat, weil sie die Grundrente eigentlich nie wollte. Zumindest nicht so, wie die SPD sie vorgeschlagen hat. Da kam es ihr natürlich gelegen, dass die vorgeschlagenen Finanzierungsinstrumente noch nicht am Platz sind. Darauf hinzuweisen ist in der Coronakrise zwar verständlich, aber ich nehme es der CDU nicht ab, dass das der wahre Grund ist.
Nichtsdestotrotz muss man sich auf Dauer überlegen, wie man die Grundrente finanziert. Denn sie sollte auf Dauer nicht schuldenfinanziert sein sondern klar abgedeckt. Das muss man jetzt im Laufe der Zeit klären. Aber das ist zu klären. Gemessen an den vielen anderen Beträgen ist es außerdem ein sehr kleiner Betrag. Das Problem ist lösbar.
Von Seiten der SPD wird argumentiert, dass sich die Grundrente schnell refinanziert, weil viele das zusätzliche Geld nicht zurücklegen, sondern direkt wieder ausgeben.
Ob sich die Grundrente so komplett selbst finanziert, ist fraglich. Aber richtig ist, dass diese Transferleistungen, wenn sie an Menschen gehen, die wenig Einkommen haben, größtenteils wieder ausgegeben werden. Das schlägt sich auch im Wirtschaftsgeschehen nieder. Es finanziert sich also zum Teil selbst.
Ohnehin sind wir ja in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, die wohl auch nächstes Jahr noch anhalten wird. Wenn die Grundrente also nächstes Jahr wirksam wird, dann kommt sie für viele Menschen also gerade gelegen.
Im Idealfall sollte jede*r ja so viel im Arbeitsleben verdienen, dass der Rentenanspruch über der Grundsicherung liegt. Was muss passieren, damit das wieder die Regel ist?
Die Grundrente wird in der SPD ja auch Respektrente genannt. Das finde ich einen treffenden Namen. Denn es geht darum, Respekt gegenüber denjenigen zu zollen, die eine sehr sehr notwendige Arbeit geleistet haben, aber dafür sehr schlecht entlohnt worden sind. Die werden jetzt dadurch belohnt, dass sie eine Mindestabsicherung erhalten, die es sonst nicht gegeben hätte.
Aber das zeigt auch schon, wo das Problem liegt: Es liegt in der Entlohnung der Arbeit. Rentenprobleme sind meistens die Folge von Arbeitsmarktproblemen. Wir müssen also den Arbeitsmarkt in vielen Berufen neu organisieren. Das fängt damit an, dass man absolute Tariftreue einfordert, sodass die Menschen mindestens nach Tarif bezahlt werden und diese Tariflöhne auch anständig sind. Dann gibt es die Probleme, die eine Grundrente überhaupt erst notwendig gemacht haben, irgendwann nicht mehr. Denn dann sind die eigenen Rentenansprüche schon hoch genug.
Nun ist der Einfluss der Politik auf Tarifverhandlungen ja begrenzt, das betont auch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil immer wieder. Kann die Politik also gar nichts tun, um die Tarifbindung wieder zu stärken?
Doch, die gibt es. Zum einen könnte man die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Heute verhindert schon das Veto eines einzigen Interessenverbands so eine Allgemeinverbindlichkeit. Es müsste eigentlich andersrum sein: Nur wenn alle dagegen sind, sollte sowas verhindert werden können. Das würde die Verhandlungen erheblich vereinfachen.
Das zweite ist: Die SPD kann ja nicht nur über staatliches Handeln agieren, sondern auch über gesellschaftliches. Der Appell, in eine Gewerkschaft einzutreten, sollte zum Standardrepertoire in der SPD gehören. Denn nur so kann man seine Interessen vertreten. Dann gibt es auch Erfolge dieser Interessenvertretung dahingehend, dass die Löhne besser und höher sind. Und dann erledigen sich künftig auch die Probleme mit den zu niedrigen Renten.
node:vw-infobox