Inland

Die drei Leitsätze der Franziska Giffey

Der Weggang aus Neukölln ist Franziska Giffey nicht leicht gefallen. Auch in ihrem neuen Amt als Bundesfamilienministerin will sie ihre „pragmatische bodenständige Politik“ fortführen. Dafür hat sie drei Leitsätze.
von Karin Nink · 26. April 2018
Franziska Giffey
Franziska Giffey

Von ihrem lichtdurchfluteten Büro reicht der Blick weit über das gediegene Berliner Regierungsviertel. Franziska Giffey, vor kurzem noch Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln, bewegt sich in ihrem neuen Amtssitz nicht so, als müsse sie sich noch an die neue Rolle gewöhnen. Konzentriert und sachbezogen diskutiert sie über die Aufgaben, die sie als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erfüllen will.

Unberührt vom Rummel

Der Kompass dafür ist ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit. Deswegen ist sie auch Sozialdemokratin geworden: Das Versprechen „Wichtig ist nicht, woher du kommst, sondern wer du sein willst“ löse die SPD von allen Parteien am besten ein.

Mit dem „Shootingstar“, den die Medien aus ihr machen, kann sie nicht viel anfangen. Der öffentliche Rummel um ihre Person berührt sie nicht sonderlich. „Ich mache mir Gedanken darum, dass wir hier im Ministerium schnell erreichen, dass die Leute merken, wir verändern spürbar was zum Positiven“, sagt sie. Sie spricht von einem „Gesellschaftsministerium“, in dem es darum geht, „das tägliche Leben von Menschen zu verbessern“. Die „politische Streetworkerin“, wie der „Stern“ sie nennt, will „pragmatische bodenständige Politik“ machen – auch auf Bundesebene.

Den »Kümmerern« helfen

Dafür hat sie drei Leitsätze, an denen sich die gesamte Arbeit im Ministerium orientieren soll: „1. Wir arbeiten, damit jedes Kind es packt, 2. Wir kümmern uns um die Kümmerer, 3. Frauen können alles.“ Bei letzterem geht es ihr nicht nur um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die beruflichen Aufstiegschancen von Frauen. Es geht ihr auch um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: „Wie können wir Frauen stärken, sich aus einer Situation zu befreien, wo Gewalt in der Familie herrscht, wo sie von einer Zwangsheirat betroffen oder bedroht sind, wo sie vielleicht sogar von Ehrenmord bedroht sind.“ Auch das trage dazu bei, dass Kinder auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben begleitet werden und „nicht im Sozialsystem landen“.

Sich um die „Kümmerer“ zu kümmern, heißt zum Beispiel Ehrenamtler besser unterstützen und vor allem. Die sozialen Berufe aufwerten. „5,7 Millionen Menschen arbeiten in sozialen Berufen, 80 Prozent davon sind Frauen, das sind fast 20 Prozent der erwerbstätig Beschäftigten!“ Für Kinder will die neue Ministerin die frühkindliche Bildung stärken, damit alle eine gute Basis für eine vernünftige Schulkarriere haben, und Eltern mit wenig Geld besser unter die Arme greifen. Die Leitthemen, die sie ihrem Ministerium verordnet hat, sind „Herzensangelegenheiten“, die sie aus Neukölln mitbringt.

Ein Signal für Ostdeutsche

Überhaupt Neukölln. Leicht gefallen ist ihr der Weggang dort nicht. „Ich war ja mit Leib und Seele Bürgermeisterin!“, entfährt es ihr. „Ich hatte ja in Neukölln noch eine Menge vor.“ Intensiv hatte sie etwa angefangen, dafür zu sorgen, dass sich in dem Problemkiez alle an die „Regeln“ halten müssen. Um solche Fragen wird sie sich künftig weniger kümmern können, aber dass Sicherheit letztlich auch sehr viel mit Gerechtigkeit zu tun hat, wird auch die Arbeit der Bundesfamilienministerin prägen.

Bei der Frage „Gehen oder bleiben?“ hat sich letztlich „die Verantwortung für die SPD und auch für Deutschland“ durchgesetzt. „In den 80 Millionen Deutschen sind ja auch die 330.000 Neuköllnerinnen und Neuköllner drin“ – da ist die in Frankfurt/Oder geborene 39-Jährige ganz pragmatisch. Und sie ist sich sicher, dass ihre Ernennung „für viele Ostdeutsche ein sehr wichtiges Signal war“.

Keine Verschnaufpausen

Sie weiß, dass sich mit der neuen Aufgabe auch einiges in ihrem Leben ändern wird. Aber auf die Besuche vor Ort wird sie nicht verzichten. 500 hat sie in einem Jahr als Bezirksbürgermeisterin absolviert. So viele werden es für die Bundesministerin sicher nicht sein können, aber „kein Aktenvermerk kann so gut sein wie das Gespräch mit jemand, der täglich an den Problemen arbeitet, mit denen wir uns auch hier beschäftigen“. Und deswegen wird sie weiter auch viel draußen sein, Verschnaufpausen gibt es da nicht.

Giffey hat sich viel vorgenommen. Dabei ist der Haushalt des Ministeriums mit 9,4 Milliarden Euro vergleichsweise klein. Aber das schreckt sie nicht: „Mein jahrelanger Job war Fördermittelakquise und zusätzlich Geld reinholen“, sagt sie fröhlich. Und zusätzliches Geld braucht sie, „um die Themen, die uns wichtig sind, auch weiter zu befördern“.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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