Inland

„Die CSU hat die Augen verschlossen!"

Die SPD soll in Bayern eine Vorreiter-Rolle beim sozialen Wohnungsbau einnehmen. Dazu soll unter anderem eine Kommission für Wohnungsbaupolitik im Parteivorstand der SPD angesiedelt werden, erläutert SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen.
von Karin Billanitsch · 7. Juni 2018
Die neue Landesvorsitzende Natascha Kohnen will das Profil der bayerischen SPD schärfen.
Die neue Landesvorsitzende Natascha Kohnen will das Profil der bayerischen SPD schärfen.

Natascha Kohnen, welche Rolle spielt das Thema Wohnungsbau im Landtags-Wahlkampf 2018?

Unser Leitsatz ist: Bauen, bauen, bauen. Damit wird deutlich: Für uns als bayerische SPD ist bezahlbares Bauen und Wohnen eines der wichtigsten Themen. Auch in anderen Bundesländern ist offensichtlich: Das Thema „Kann ich mir mein Dach über dem Kopf noch leisten?“ ist die Nummer 1. Das ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Die müssen wir bewältigen, damit unsere Gesellschaft wirklich gut zusammenhält.

Kein Land ist so reich an Steuereinnahmen wie Bayern. Wie kann es sein, dass beim Sozialen Wohnungsbau jahrelang so wenig getan wurde?

Das war schlichtweg eine politische Entscheidung der Staatsregierung. Für die CSU ist Wohnungsbau über Jahrzehnte nicht von Belang gewesen. Die bayerische SPD hat bereits in den Jahren 2012, 2013 gesagt, dass wir eine eigene Wohnbaugesellschaft des Landes brauchen, damit der soziale Wohnungsbau endlich nach vorne kommt. Hier hat die CSU schlichtweg die Augen verschlossen.

Und wie beurteilen Sie die Aussagen der CSU dazu aktuell?

Der damalige bayerische Finanzminister Söder hat einen kapitalen Fehler begangen, als er die staatlichen Wohnungen der GBW verkauft hat. Das war eine politische Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen. Denn diese staatlichen Wohnungen hätten der Grundstock sein können für eine neue staatliche Wohnbaugesellschaft.

Wir sagen seit Jahren: Sofort gründen und mit der Arbeit beginnen! Das Land muss in den kommenden fünf Jahren 25.000 bezahlbare Wohnungen bauen, pro Jahr 5.000. Das ist ambitioniert – aber machbar. Allerdings muss man es jetzt sofort angehen.

Was kann das Land noch tun?

Enorm viel. Zum Beispiel könnte das Land den Landkreisen das Bauen ermöglichen. Wir können die Genossenschaften in die Wohnraumförderung aufnehmen. Wir können den Kommunen staatliche Flächen zu besseren Konditionen zur Verfügung stellen. Im Moment ist es nach wie vor so, dass die landeseigenen Flächen zu Markpreisen verkauft werden und es nicht die Kommunen sind, die zum Zug kommen. Mit einem solchen Maßnahmenpaket käme Tempo in den Wohnungsbau, wenn Kommune, Bund, Land und Landkreise alle zusammenarbeiten.

München ist – trotz seines vorbildhaften Baulandmodells – die Stadt mit den höchsten Neuvertragsmietpreisen für Wohnungen. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Der Hauptgrund liegt darin, dass von der Landesregierung jahrelang die Infrastruktur für die ländlichen Regionen vernachlässigt wurde. Internetanbindung, Schulen, Kinderbetreuung, kulturelle Einrichtungen: All das macht es für Unternehmen attraktiv, in die ländlichen Räume zu gehen. Weil das vernachlässigt wurde, drängen Unternehmen und Menschen nun natürlich in die Städte. Damit bekommt eine Stadt wie München einen Zuzugsdruck, der so überhaupt nicht absehbar war. Deshalb hat sich die Situation auch dermaßen zugespitzt.

Was fordern Sie mit Blick auf dieses Problem?

Es braucht bundespolitische Hilfe, und daran arbeitet derzeit Katarina Barley. Ich spreche von dem Mietpaket. Das ist einmal die Mietpreisbremse, die jetzt endlich angezogen wird. Das hat die Union immer blockiert. Es ist auch nötig, dass das Land Bayern eine neue Verordnung aufstellt. Bislang war die Regierung nicht in der Lage, die Mietpreisbremse ordentlich umzusetzen. Diese Blockade muss jetzt aufgebrochen werden. Weiterhin muss die Modernisierungsumlage gesenkt und gekappt werden, auch daran arbeitet das Justizministerium unter Katarina Barley. Beides wird vor der Sommerpause kommen.

Was muss aus Sicht der BAYERN SPD gegen die massiv steigenden Bodenpreise getan werden?

Wir werden eine Grundsteuer C, ich nenne sie eine Bodenspekulationssteuer, einführen. Das liegt jetzt beim Finanzminister. Außerdem möchte ich eine Kommission für Wohnungsbaupolitik im Parteivorstand der SPD ansiedeln, die Vorschläge erarbeiten soll. Die SPD soll hier eine Vorreiter-Rolle einnehmen.

Lassen Sie mich noch zu anderen Themen umschwenken: Die SPD lehnt das Polizeiaufgabengesetz ab. Was ist daran so gefährlich und wie wollen Sie dagegen vorgehen?

Das Polizeiaufgabengesetz, das die CSU im Landtag durchgepeitscht hat, verändert völlig die Sicherheitsarchitektur in unserem Land. Befugnisse des Verfassungsschutzes werden auf die Polizei übertragen. Das sind Überwachungsmethoden, die sonst auf Gefährder und Terroristen angewendet werden - und sie sind plötzlich anwendbar auf jeden Bürger! Da werden in unseren Augen die Freiheitsrechte der Bürger des eigenen Landes angegriffen und beschnitten. Da sagen wir klipp und klar: Nein! Wir werden diese Gesetz zunächst vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München und dann auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angreifen.

Die CSU macht in Bayern Opposition gegen die von ihr auf Bundesebene mitbeschlossene und mitgetragene Flüchtlingspolitik der großen Koalition. Wie kann das funktionieren?

Ich denke nicht, dass das funktioniert. Das ist eine absurde Politik. Man kann nicht auf der einen Seite etwas mit beschließen und sich dann davon abwenden. Die CSU betreibt einen brutalen Populismus.Es werden Menschen gegeneinander aufgehetzt, anstatt die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die fast schon schizophrene Haltung der CSU zwischen Landes- und Bundespolitik zerstört den Zusammenhalt.

Wie bewerten Sie die Aussichten der SPD beim Landtagswahlkampf? 

Wir haben noch viereinhalb Monate Landtagswahlkampf vor uns. Wir gehen ganz stark auf die Themen ein, die Jeden täglich bewegen und berühren. Da ist die Frage, ob ich mir mein Dach über dem Kopf noch leisten kann? Zweitens, wie bringe ich Familie und Arbeit unter einen Hut und kann ich die Betreuung überhaupt bezahlen? Hier in Bayern reden wir von Betreuungskosten von 700 bis 800 Euro. Wir fordern kostenfreie Bildung, das schließt kostenfreie Kitas mit ein. Es geht uns um alles rund um die frühkindliche Bildung. Etwa auch um die bessere Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern. Das ist eine Gerechtigkeitsfrage.

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Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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