DGB-Jugend protestiert für bessere Ausbildung
Florian Gaertner/photothek.net
Herr Haggenmiller, in einigen Branchen klagen die Arbeitgeber über Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Sind die Schulabgänger nicht fit genug oder verlangen die Firmen zu viel?
Aus unserer Sicht gibt es vor allem zwei Gründe warum Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben: Die Ausbildungsberufe in denen die meisten Ausbildungsplätze frei bleiben, sind laut Bildungsbericht der Bundesregierung häufig auch die Berufe, in denen die Abbruchsquoten in der Ausbildung besonders hoch sind. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Qualität in der Ausbildung nicht stimmt. Diese Berufe sind für junge Menschen nicht attraktiv, wieso sollten sie dort eine Ausbildung beginnen wollen?
Gleichzeitig betreiben die Betriebe eine „Bestenauslese“. So stehen Hauptschülerinnen und Hauptschülern laut IHK-Lehrstellenbörse rund zwei Drittel aller Ausbildungsberufe nicht mehr zur Verfügung. Sie haben keine Chance auf einen Ausbildungsplatz, weil die Betriebe lieber Abiturientinnen und Abituriennten oder Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Schulabschluss einstellen wollen.
Der DGB-Ausbildungsreport zeigt, dass viele Azubis unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz sind. Was sind die häufigsten und die gravierendsten Probleme?
Auch wenn 70 Prozent der Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, gibt es gravierende Probleme: Über ein Drittel aller Auszubildenden muss regelmäßig Überstunden machen, die Hälfte von ihnen bekommt dafür weder einen Ausgleich in Freizeit noch durch Bezahlung.
Auch die Perspektive nach der Ausbildung ist für viele unklar: Fast die Hälfte aller Auszubildenden wissen im letzten Jahr ihrer Ausbildung noch nicht, ob sie im Anschluss übernommen werden. Häufig mangelt es auch an der Betreuung durch das Ausbildungspersonal, was dazu führt, dass die jungen Menschen keinen Ansprechpartner im Betrieb haben, an den sie sich bei Fragen wenden können.
Der Blick auf die Gesamtbewertung im Ausbildungsreport zeigt, es gibt Branchen mit besonders schlechten Ausbildungsbedingungen: dazu gehören seit vielen Jahren der Hotel-und Gaststättenbereich, der Handel sowie Teile des Handwerks.
Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund für die Misere: Sind die Gesetze nicht scharf genug oder werden sie nicht ausreichend kontrolliert?
In manchen Branchen, die besonders durch schlechte Ausbildungsqualität auffallen, beobachten wir, dass sich Arbeitsgeber zunehmend ihrer Verantwortung entziehen und aus der Tarifbindung aussteigen. Die Auszubildenden sind hier die Leidtragenden, die schlechtere Bedingungen vorfinden.
Dazu kommt, dass wir ein vollkommen veraltetes Berufsbildungsgesetz (BBiG) haben. Seitdem es 1969 entstand, hat sich dort bis auf eine kleine Novelle 2005 kaum etwas getan. Wir fordern deshalb eine umfassende Modernisierung des Gesetzes, die die Duale Ausbildung für die Zukunft fit macht. Die Politik ist dringend gefordert, die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden ganz konkret zu verbessern, um die Fachkräfte von morgen für eine Duale Ausbildung gewinnen zu können. Die Duale Ausbildung muss wieder zum Vorzeigemodell werden.
Was sollte bei einer Novellierung des Berufsbildungsgesetzes verbessert werden?
Aus unserer Sicht sind grundlegende Veränderungen nötig: Der Geltungsbereich des BBiG muss ausgeweitet und das Duale Studium ins BBIG aufgenommen werden. Wir brauchen einen verbindlichen Durchstieg von der 2-jährigen Schmalspurausbildung in eine 3-jährige Ausbildung.
Großen Modernisierungsbedarf sehen wir auch bei der Qualifizierung und Weiterbildung des Ausbildungspersonals, insbesondere im Hinblick auf pädagogische Kompetenzen und Ausbildereignung.
Wir fordern mehr Zeit zum Lernen und strengere Regelungen für die wöchentliche Arbeitszeit von Auszubildenden. Überstunden haben in der Ausbildung nix zu suchen! Schlussendlich muss die Ausbildung für die Azubis kostenlos sein, das gilt auch für die Fahrten in die Berufsschule und in den Ausbildungsbetrieb, um den jungen Menschen eine Perspektive zu eröffnen. Wir fordern deshalb, dass die Auszubildenden frühzeitig informiert werden, ob sie nach der Ausbildung eine Perspektive im Betrieb haben.