Inland

Deutschlands Krankenhäuser auf Vordermann bringen

Mehr Qualität, mehr Transparenz und Nachbesserungen bei den Fallpauschalen: Gesundheitspolitikerin Cornelia Prüfer-Storcks spricht im Interview über die geplante Klinikreform von Bund und Ländern.
von Yvonne Holl · 4. November 2014
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Ärzte und Pflegepersonal an deutschen Kliniken sind unzufrieden. Sie klagen über Arbeitszeitverdichtung, Zeitmangel und Leistungsdruck. Zu Recht?

Die Situation ist nicht in allen Kliniken gleich. Aber wir stellen besonders in der Pflege eine deutliche Arbeitsverdichtung fest, auch weil Stellen abgebaut wurden. In Deutschland muss eine Pflegefachkraft ungefähr zehn Patienten betreuen. In den Niederlanden ist es weniger als die Hälfte. Das ist im Hinblick auf die Sicherheit der Patienten und den Behandlungserfolg eine wichtige Frage.

Inwieweit spielt eine Rolle, dass die Zahl der alten und der dementen Patienten steigt?

Der individuelle Pflegebedarf von Patienten ist sehr unterschiedlich. Deshalb brauchen wir eine Personalbemessung, die auch Faktoren wie z.B. Altersdemenz berücksichtigt. Die SPD setzt sich für die Entwicklung eines solchen Systems ein. Unser Ziel ist eine bessere Ausstattung der Stationen mit Pflegekräften.

Was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Probleme im Kliniksektor? Warum brauchen wir eine Reform?

Zehn Jahre nach Einführung der Fallpauschalen müssen wir überprüfen, ob die richtigen Dinge richtig bezahlt werden und ob Behandlungsqualität und Patientensicherheit stimmen. Die Zahl der Wirbelsäulenoperationen z. B. hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Das lässt sich nicht allein mit der Alterung der Bevölkerung erklären. Es gibt Fallpauschalen, mit denen man Gewinne erwirtschaften kann. Und bei anderen schreibt man Verluste. Da muss nachjustiert werden, denn jede Leistung muss angemessen bezahlt werden. Wir wollen, dass Behandlungen gemacht werden, weil sie medizinisch notwendig sind und nicht, weil sie sich rechnen. Außerdem sollten Behandlungen da gemacht werden, wo die besten Ergebnisse erzielt werden.

Das heißt, es darf dann nicht mehr jeder alles machen?

Natürlich müssen wir eine Grund- und Notfallversorgung haben, die überall im Lande gewährleistet und gut erreichbar ist. Aber planbare, spezialisierte Behandlungen sollen an den Kliniken konzentriert werden, die das wirklich gut können und die nötige Erfahrung dazu haben. Dann macht jede Klinik, was sie gut kann, aber nicht alle alles.

Sie wollen ein neues Institut zur Messung von Qualität in Krankenhäusern etablieren.

Dieses Qualitätsinstitut wird gerade in Berlin aufgebaut und soll alle verfügbaren Daten im Hinblick auf die Qualitätsmessung nicht nur für Kliniken auswerten, sondern auch für den ambulanten Bereich. Ziel ist es, festzustellen, wo die beste Behandlung gemacht wird, und die Ergebnisse so zu veröffentlichen, dass Patientinnen und Patienten etwas damit anfangen können.

Wie misst man die beste Behandlung?

Das misst man zum einen durch Berichte, die die Kliniken heute schon abliefern. Aber in Zukunft sollen auch Abrechnungsdaten der Krankenkassen ausgewertet werden, die ganz viele Informationen enthalten, heute aber nicht genutzt werden. Das sind z.B. die genauen Diagnosen, der Behandlungsverlauf und was nach der Entlassung des Patienten passierte, ob es Nachbehandlungen, Komplikationen oder weitere OPs gab.

Krankenhäuser in ländlichen Gebieten haben schon jetzt Probleme mit der Auslastung. Wie wollen Sie Finanzierung und Sicherung der Versorgung unter einen Hut bringen?

Wir wollen eine gut erreichbare Versorgung sichern. Die Kliniken, die keine so starke Auslastung haben, dass sie sich von selbst wirtschaftlich tragen können, sollen einen Zuschlag bekommen können – wenn sie für die Grund- und Notfallversorgung notwendig sind.

Wie sieht der weitere Fahrplan der AG aus?

Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Mitte Dezember mit den Beratungen abzuschließen, und ich bin auch zuversichtlich, dass wir das schaffen. Insbesondere die SPD hat sich mit einem sehr langen Atem auf diese Krankenhausreform vorbereitet. Wir hatten z.B. 2013 Beratungen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, haben die Ergebnisse ins Wahlprogramm und den Koalitionsvertrag eingebracht, und wir setzen das jetzt in dieser Arbeitsgruppe um. Im kommenden Jahr startet dann der Gesetzgebungsprozess. Die Reform soll ab 2016 wirken.

Cornelia Prüfer-Storcks ist Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg und Mitglied der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhaus-Reform.

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Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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