Inland

Deutschland verteidigt Ausschluss von Hartz IV

von Christian Rath · 19. März 2014

Können arbeitslose EU-Bürger in Deutschland Hartz IV beziehen? Dieser Streit beschäftigt seit Monaten die deutsche Innenpolitik, die CSU warnt vor Armutseinwanderung. Jetzt beschäftigte sich erstmals der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit dem Problem. 

Konkret ging es um den Fall der 24jährigen Rumänin Elisabeta Dano, die mit ihrem vierjährigen Kind in Leipzig lebt. Das Job-Center Leipzig hatte den Hartz IV-Antrag unter Verweis auf die deutsche Rechtslage abgelehnt. Danach haben EU-Ausländer keinen Anspruch auf Hartz IV, wenn sie nach Deutschland kommen, um Arbeit zu suchen. Ausgeschlossen sind in den ersten drei Monaten auch wirtschaftlich inaktive EU-Bürger – wobei diese anschließend ausgewiesen werden dürfen, soweit sie sich nicht selbst finanzieren können.

Grundsätzlich sind solche Ausnahmen auch in der EU-Freizügigkeits-Richtlinie angelegt. Es wird aber seit Jahren diskutiert, ob der rigide Ausschluss-Automatismus des deutschen Gesetzes mit EU-Recht vereinbar ist. Insofern ist eine EU-rechtliche Klärung überfällig.

Im Fall Dano kann der EuGH allerdings nur prüfen, ob "wirtschaftlich inaktive" EU-Bürger in Deutschland von Hartz IV ausgeschlossen werden dürfen. Denn das Leipziger Sozialgericht, das den Fall im letzten Sommer beim EuGH zur Klärung vorlegte, wertete Elisabeta Dano nicht als "arbeitssuchend". Dano sei zwar als arbeitslos gemeldet, könne aber keine Anstrengungen zur Arbeitssuche nachweisen.

EU-Kommission plädiert für Einzelfallprüfung

In der mündlichen Verhandlung plädierte die EU-Kommission für Einzelfallprüfungen. Hartz IV müsse gewährt werden, wenn die Hilfsbedürftigkeit nur vorübergehend ist und wenn jemand sich im Gastland bereits integriert hat. Danos Anwältin Eva Steffen sah diese Kriterien erfüllt. Dano lebe schon seit Jahren in Deutschland. In Leipzig habe sie Bindungen zu ihrer Schwester, von der sie auch aufgenommen wurde.

Unter den EU-Staaten, die sich am Verfahren beteiligten, unterstützte nur Österreich die Idee von Einzelfallprüfungen. Der Wiener Vertreter kam aber zum Schluss, dass im konkreten Fall kein Hartz IV bezahlt werden müsse. Die Prognose bei Elisabeta Dano spreche nicht für einen lediglich vorübergehenden Sozialleistungsbezug.

Die deutsche Bundesregierung lehnte Einzelfallprüfungen generell ab. Diese würden die Hartz IV-Verwaltung und die Gerichte überfordern. Die deutsche Gesetzeslage sei schon differenziert genug. Immerhin gelte der Hartz IV-Ausschluss nicht für schlecht verdienende EU-Arbeitnehmer und Selbständige, die als Aufstocker durchaus Hartz IV bekommen können. Wenn nun auch noch völlig einkommenslose Personen wie Dano Hartz IV bekommen könnten, wäre das deutsche Sozialsystem "unangemessen belastet". Das Verfahren sei von "fundamentaler Bedeutung" für Europa.

Unterstützung für deutsche Position

Dänemark, Irland und Großbritannien stützten die deutsche Position, teilweise mit drastischen Worten. "Man kann sich kaum einen deutlicheren Fall einer Migrantin vorstellen, die allein zum Sozialhilfe-Tourismus nach Deutschland kam", sagte der englische Vertreter, "sie hat in Deutschland nie gearbeitet, sucht auch keine Arbeit, und selbst wenn sie suchen würde, hätte sie keine Chance." 

Mehrere Richter fragten, warum Dano denn nicht nach drei Monaten ausgewiesen wurde und stattdessen sogar eine Freizügigkeitsbescheinigung erhielt. Sie schienen das Verhalten der deutschen Behörden widersprüchlich zu finden.

Der Schlussantrag des unabhängigen Generalanwalts wird am 20. Mai veröffentlicht, das Urteil einige Monate später verkündet. Parallel läuft am EuGH noch ein zweites Verfahren, bei dem eine Schwedin aus Berlin Hartz IV einklagt. Sie hat schon gearbeitet und sucht auch eine Arbeit, steht also für die zweite Fallgruppe. Der Verhandlungstermin ist aber noch offen.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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