Deutschland-Koalition: SPD-Mitglieder in Sachsen-Anhalt entscheiden
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Es wäre eine Premiere: Sachsen-Anhalt könnte das erste Bundesland werden, das von einer so genannten Deutschland-Koalition regiert wird. Mit den Regierungsparteien CDU, SPD und FDP entspräche dieses Bündnis den Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold.
Darüber informierten am Mittwoch in Magdeburg auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Parteivorsitzenden der drei Parteien, für die SPD die Landesvorsitzende Juliane Kleemann. Sie sprach von einer konstruktiven Weiterentwicklung der bisherigen Regierungspolitik. „Das ist für uns als SPD außerordentlich wichtig“, betonte sie. Die drei Parteien seien „auf einem sehr konstruktiven Weg miteinander“. Man habe „viele Lebensbereiche abgedeckt“, die für das ganze Land wichtig seien. Sie sah damit eine Grundlage, Sachsen-Anhalt zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. „Das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine sehr wichtige Perspektive.“
SPD-Chefin Kleemann: Weiterentwickeln statt abwickeln
Die SPD-Chefin nannte als „große Überschrift“ der künftigen gemeinsamen Regierungspolitik mit CDU und FDP: „Das, was wir haben, gilt es zu sichern, nicht rückzuentwickeln, sondern nach vorne weiterzuentwickeln. Es freut mich außerordentlich, dass wir an der Stelle eine große Einigkeit miteinander erzielt haben.“ Sie hob hervor, „dass wir uns als die drei Partner darauf geeinigt haben, dass das, was in der vergangenen Legislaturperiode an Projekten angestoßen worden ist und was sozusagen auf der Schiene ist, nicht wieder runter genommen wird.“ Rückentwicklungen, egal an welcher Stelle, seien „explizit ausgeschlossen“. Das sei „eine wichtige Botschaft“ für die Menschen in Sachsen-Anhalt.
Als konkrete Beispiele für den „Bestandsschutz“ nannte sie das Kinderförderungsgesetz. „Das Erreichte wird stabilisiert und da wird auch nichts zurückgedreht.“ Das sei eine bedeutende Nachricht für Eltern, Kitas und Kommunen im Land. Als zweites Beispiel nannte Kleemann die Sicherung der Hochschulstandorte und der Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt, auf die man sich verständigt habe.
SPD-Parteitag entscheidet am 16. Juli
Die SPD wird nach Auskunft von Juliane Kleemann am 10. Juli den Landesparteirat und den Landesvorstand „im Detail“ über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit CDU und FDP informieren. „Wir sind dann sehr gespannt, wie die inhaltliche Debatte in unserer Mitgliedschaft läuft“, so die Landesvorsitzende. Am 16. Juli sei dann „der entscheidende Landesparteitag“, der zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen einen Beschluss fassen wird.
Seit der Konstituierung des Landtags am Dienstag ist in Magdeburg nur noch eine geschäftsführende Landesregierung im Amt. Deshalb hatten sich direkt am gleichen Tag CDU, SPD und FDP erstmals zu Sondierungsgesprächen getroffen, um die Möglichkeit einer gemeinsamen Regierung auszuloten. Die Beratungen dauerten rund vier Stunden.
Neue Landesregierung im September
Mit einer neuen Landesregierung könnte Sachsen-Anhalt in gut zwei Monaten rechnen. Sollten die Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, sieht die SPD einen Mitgliederentscheid vor, der den Koalitionsvertrag bestätigen muss. Bei CDU und FDP genügen Beschlüsse niedrigerer Parteigremien.
Der neu gewählte Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) rechnet damit, dass die Wahl des Ministerpräsidenten auf der Tagesordnung der zweiten Landtagssitzung stehen wird. Diese legte Schellenberger auf der konstituierenden Sitzung auf den 16. und 17. September. In den vergangenen drei Wochen hatte die CDU und Ministerpräsident Reiner Haseloff auch mit den Grünen sondiert. Diese hatten allerdings direkt nach der Wahl eine Koalition, die im Landtag nicht auf ihre Stimmen angewiesen sei, ausgeschlossen. Eine Neuauflage schwarz-rot-grünen Koalition war damit schon vor dem Beginn der Sondierungsgespräche vom Tisch.
Sachsen-Anhalt erneut als Vorreiterland
Durch die Gewinne der CDU bei der Landtagswahl am 6. Juni hätte auch eine Koalition von CDU und SPD eine Mehrheit im Landtag, allerdings nur mit einer Stimme. Bei der Wahl lag die CDU deutlich vor der AfD. Die SPD kam mit Verlusten weiterhin auf den vierten Platz, nach den Linken und vor den Grünen und der FDP. Die CDU erreichte nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis 37,1 Prozent, die AfD 20,8 Prozent. Die Linke kam auf 11,0 Prozent, die SPD auf 8,4 Prozent. Die FDP erreichte 6,4 Prozent, die Grünen 5,9 Prozent.
Sachsen-Anhalt würde mit der Deutschland-Koalition erneut Vorreiter in der Bundesrepublik. Hier wurde 1994 das sogenannte „Magdeburger Modell“ entwickelt, eine SPD-Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Reinhard Höppner toleriert von der damaligen PDS. Dieses Modell amtierte bis 2002. Sachsen-Anhalt wurde seit 2016 von der ersten so genannten Kenia-Koalition regiert aus CDU, SPD und Grünen. Auch dieses Modell war vor fünf Jahren eine Premiere in Deutschland.