Inland

Deutschland ist ein Eldorado für Lobbyisten

Die Regulierung des Lobbyismus in Deutschland weist nach wie vor große Defizite auf. Transparency International Deutschland zufolge haben einige wenige Interessengruppen enormen Einfluss auf Politiker, die diese Einflussnahme im Dunkeln lassen.
von Marisa Strobel · 13. Oktober 2014
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„Deutschland ist ein Eldorado für Interessensartikulation gegenüber dem politischen Prozess“, sagte die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, bei der Präsentation der Studie „Lobbying in Deutschland“ am Montag in Berlin. Gleichzeitig betonte Müller aber auch, dass dies „im Prinzip nichts Schlechtes“ sei, gerade in Kombination mit einer aktiven, kritischen Presselandschaft. Lobbyismus erfordere aber auch Transparenz, damit deutlich wird, welche Interessengruppen auf den politischen Entscheidungsprozess Einfluss genommen haben.  

Der Autor der Studie, der Wissenschaftler Rudolf Speth, sieht ganz klar, dass die Einflussnahme auf politische Entscheidungen intransparenter geworden ist: „Wir haben inzwischen verstärkt Akteure, die eigenständig und jenseits von Verbänden tätig geworden sind.“

Zu den größten Problemen zählen dem Bericht von Transparency Deutschland zufolge neben der Intransparenz das Ungleichgewicht bei der Einflussnahme. Manche Interessengruppen könnten mehr erreichen als andere, kritisierte Müller. Auch fehle eine verbindliche Regelung für die legitime Vertretung von Interessen.

Lobbyismus transparent machen

Transparency Deutschland hat deshalb eine Liste von zehn Forderungen aufgestellt. Als ein zentrales Werkzeug sieht die Transparency-Vorsitzende eine sogenannte „legislative Fußspur“, die in der Begründung von Gesetzentwürfen zeigt, welche Interessengruppen hinter welchen Forderungen stehen. „Die erste Lesung eines Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag wäre der konkrete Anlass, um hier öffentlich einen Lobbycheck zu machen“, sagte Müller. „Welche Interessen wurden hier berücksichtigt, welche nicht.“ Als Beispiel führte die Vorsitzende TTIP an: „Da wollen wir wissen, zu welchen Regelungen und Paragraphen wird wer gehört und bringt welche Wünsche ein. Dass ein Lobbyist erklärt: Es darf keiner wissen, was er für Interessen artikuliert – das halte ich für abenteuerlich.“

Des Weiteren fordert Transparency Deutschland ein Lobbyregister, „das mit Sanktionen verbunden ist“. Dies gelte insbesondere für die Akteure, die über die Verbände hinaus aktiv werden, also abseits der klassischen Interessenvertretern. Zum Beispiel Anwaltskanzleien und PR-Agenturen, die im Auftrag von finanzkräftigen Institutionen handeln. Auch die Ressourcen, mit denen die Akteure für die Interessen lobbyieren, sollen Transparency Deutschland zufolge aufgeführt werden. 

Zu den Forderungen von Transparency Deutschland gehört außerdem die Einführung von Verhaltensregeln für Lobbyisten wie für Politiker. So hält die Organisation eine Karenzzeit für ausscheidende Politiker von drei Jahren für notwendig. Direktspenden an Bundestagsabgeordnete sollen grundsätzlich verboten werden. Transparency Deutschland fordert zudem ein im Bundestag angesiedeltes Gremium zur Kontrolle von Transparenz und Lobbyismus, welches die Einhaltung der Regeln überprüft und bei Verstoß Sanktionen erteilt. 

Lobbying im EU-Vergleich

Die Lobbyismus-Studie wird in 18 weiteren EU-Ländern durchgeführt, um die Situation in Deutschland besser einschätzen zu können. Die Fragestellungen dabei: Wie gut ist Deutschland gegen unfaires und undurchsichtiges Lobbying geschützt im Vergleich mit den anderen Ländern? Wie stark sind die Mechanismen zur Sicherung von Transparenz, Integrität und gleichberechtigtem Zugang zu öffentlichen Entscheidungsträgern? 

Derzeit liegt neben dem deutschen Bericht auch das Ergebnis Spaniens vor. Deutschland erreicht in der Gesamtwertung nur 23 Prozent und erfüllt damit nicht einmal ein Viertel aller Anforderungen für faires Lobbying. In den Punkten Transparenz sind es sogar nur 13 Prozent. Etwas besser sieht es bei den Punkten gleichberechtigter Zugang (30 Prozent) und Integrität (25 Prozent) aus. Spanien liegt mit einem Gesamtergebnis von 21 Prozent zwei Prozentpunkte hinter Deutschland. Ein abschließender Ländervergleich soll Anfang 2015 stattfinden. 

Autor*in
Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

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