Der lange Weg zur Wahrheit über den NSU
Am 146. Verhandlungstag war Thomas R., ein enger Freund von Uwe Mundlos, zum dritten Mal vor das Gericht geladen worden. Der Zeuge aus dem rechten Milieu hatte seinem Freund sowie Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 in seiner Wohnung in Chemnitz Unterschlupf gewährt. Angeblich wusste R. nicht, dass seine Gäste gesucht wurden und kurz zuvor in Jena untergetaucht waren. Wie bereits bei seinen anderen Vernehmungen, behauptete R. auch diesmal, sich nur an wenig erinnern zu können, wie die meisten Zeugen aus der rechten Szene, die bislang im NSU-Prozess aussagen mussten. Die drei hätten einfach vor der Tür gestanden, da habe er nicht viel gefragt und ihnen Obdach gewährt.
Eigentlich müsste R. einiges wissen über die Zeit des NSU-Trios in Chemnitz, etwa woher die Terrorzelle das Geld für ihren Unterhalt hatte. Denn erst später beschafften sich die drei Terroristen durch Banküberfälle die nötigen finanziellen Mittel, um in der Illegalität zu leben. So sollen etwa in der Szene T-Shirts verkauft worden sein, deren Erlös dem NSU zugutekam. Auf einem Foto trägt R. so ein T-Shirt, doch erinnern kann er sich daran nicht.
NSU-Prozess steht immer wieder vor Grundsatzfragen
Über die Verbindungen R.s zur rechten Blood-and-Honour-Szene, aus der ebenfalls Geld an den NSU geflossen sein soll, entzündete sich dann – wie schon so oft – ein Streit zwischen Bundesanwaltschaft und Anwälten der Nebenkläger. Es geht dabei immer wieder darum, ob im NSU-Prozess allein die angeklagten Taten aufgeklärt werden sollen oder auch das braune Umfeld, in dem die NSU-Terrorzelle erst entstehen konnte. Eine grundsätzliche Frage, die Richter Götzl meist im Sinne der Bundesanwaltschaft beantwortet. Denn sonst könnte der Prozess, für den bereits Termine bis ins nächste Jahr vergeben sind, noch deutlich länger dauern.
Auch die Verhandlungstage 147 und 148 förderten nur ein winziges Puzzleteilchen zu Tage, das jedoch von Bedeutung ist. Es ging erneut um die Ceska 83, mit der Böhnhardt und Mundlos zwischen 2000 und 2006 neun ihrer zehn Morde begangen haben sollen. Der Weg der Waffe, vom Hersteller in Tschechien über die Schweiz nach Thüringen in die Hände des NSU, ist bislang noch nicht völlig aufgeklärt.
Wie die Mordwaffe des NSU-Trio nach Thüringen kam
Fest steht, dass die Mordwaffe 1993 an die Firma Luxik in der Schweiz verkauft wurde, die sie an die Firma Schläfli & Zbinden weiterverkaufte. 1996 erwarb sie dann der Schweizer Hans-Ulrich M. mit einem Waffenerwerbsschein seines Landsmanns Anton G. Laut polizeilichen Ermittlungen soll M. die Waffe später nach Thüringen mitgenommen haben, wo er eine Zeit lang lebte. Dort habe er einen Jugendfreund von Böhnhardt kennengelernt, über den der Kontakt zum späteren Käufer der Waffe hergestellt worden sein soll, so die Bundesanwaltschaft.
Mehrere Verhandlungstage beschäftigte das Gericht bereits dieser komplizierte Weg der Mordwaffe. Doch die beiden Schweizer wollten nicht nach Deutschland kommen, um auszusagen. Stattdessen sagten nun Schweizer Polizeibeamte und ein Staatsanwalt aus Bern darüber aus, was G. und M. in ihren Vernehmungen berichtet hatten. Sie konnten im Wesentlichen den bislang angenommenen Weg der Waffe durch die Schweiz bestätigen. Die Verfahren gegen M. und G. in der Schweiz wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord wurden eingestellt.
Im NSU-Prozess ist Beate Zschäpe die Hauptangeklagte, ihr werden schwere Brandstiftung, Beteiligung an der Ermordung von neun Migranten und einer Polizistin sowie 15 Banküberfälle und zwei Bombenanschläge vorgeworfen. Diese Verbrechen soll die terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübt haben. Haupttäter sind mutmaßlich Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos gewesen, die sich nach einem gescheiterten Banküberfall umbrachten. Die vier weiteren Angeklagten Ralf Wohlleben, Carsten S., Holger G. und André E. sind wegen Beihilfe angeklagt.