Justizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maiziere haben sich auf einen Kompromiss zum Doppelpass geeinigt. Die SPD hat sich in weiten Teilen durchgesetzt. Doch nicht jedem geht die Regelung weit genug.
Seit langem will die SPD die sogenannte Optionspflicht im Staatsbürgerrecht abschaffen. Bisher müssen sich in Deutschland geborene Kinder von Einwanderern bis zu ihrem 23. Lebensjahr entscheiden, ob sie den deutschen oder einen anderen Pass behalten wollen. Besonders die Kinder türkischer Zuwanderer sind davon betroffen.
Nach zähem Ringen und gegen den Widerstand der Unionsparteien konnte die SPD im Koalitionsvertrag folgenden Satz durchsetzen: „Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert.“ Wie aber wird definiert, ob jemand im Deutschland aufgewachsen ist?
Diese Frage scheint nun geklärt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière haben am Donnerstag einen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach entfällt die Optionspflicht künftig für alle Kinder, die bis zu ihrem 21. Geburtstag mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hier zur Schule gegangen sind.
Maas: „Bürokratische Hürden werden vermieden“
Die CDU hatte ursprünglich gefordert, dass die Migrantenkinder mindestens zwölf Jahre in Deutschland nachweisen müssen. Hier hat sich die SPD durchgesetzt. Zurückrudern musste die CDU auch mit dem Wunsch, dass die Betroffenen ihr Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft selbst durch ein Schulzeugnis oder Einträge im Melderegister nachweisen sollen. Stattdessen sollen nun die Behörden anhand der Meldedaten selbständig prüfen, ob die Voraussetzungen für den Doppelpass vorliegen, wenn die Betroffenen das 21. Lebensjahr überschritten haben. Nur in seltenen Fällen sollen die Betroffenen angeschrieben werden, um Zweifel auszuräumen. Um den Besuch einer deutschen Schule nachzuweisen, reicht ein Abschlusszeugnis oder eine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung als Beleg. „Unnötige bürokratische Hürden werden vermieden“, sagt Heiko Maas. „Wir haben eine gute Regelung gefunden“, meint der SPD-Minister.
Anderen geht auch das geplante neue Gesetz nicht weit genug. Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), meint: „Die große Mehrheit der Jugendlichen wird diese Bedingungen zwar erfüllen, aber es bleibt der Misstrauensvorbehalt gegenüber jugendlichen Migranten.“ Der Gesetzentwurf schaffe immer noch zuviel Bürokratie, meint auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland Kenan Kolat. Auch enthalte der Entwurf keine Regelung für Altfälle, also für Jugendliche, die sich bereits für eine Staatsbürgerschaft entschieden haben und nun wieder beide führen möchten.
Breitner: „Das ist sehr wenig“
Widerstand kommt auch aus mehreren Bundesländern, in denen die SPD an der Regierung ist. Andreas Breitner, sozialdemokratischer Innenminister in Schleswig-Holstein, sagte zu vorwärts.de: „Der Kompromiss ist wohl das, was in der großen Koalition zu diesem Thema überhaupt möglich ist, und das ist sehr wenig. Modern wäre ein Staatsangehörigkeitsrecht zu nennen, das keine Optionspflicht mehr kennt und die Mehrstaatigkeit generell zulässt.“ In Deutschland tue man sich mit dieser Selbstverständlichkeit immer noch sehr schwer. „Das hat ausschließlich ideologische Gründe, die in Teilen der Union zu finden sind, die sich der praktischen Vernunft verweigern“, so Breitner.
Zur Frage, wie sich Schleswig Holstein im Bundesrat zu diesem Gesetzentwurf verhalten werde, wollte sich Breitner noch nicht äußern. „So weit sind wir noch nicht“, sagte der Minister und verwies auf einen Antrag im Bundesrat von Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden Württemberg, die Optionspflicht „ohne Wenn und Aber“ abzuschaffen. „Das ist unser Kurs im Bundesrat. Alles Weitere wird man sehen“, so Breitner.
Zunächst muss der Gesetzentwurf ohnehin mit den Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien abgestimmt werden. Ob er dort ohne Änderungen bestehen bleibt, ist unklar. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Stephan Mayer hat bereits angekündigt, dass der Entwurf „möglicherweise geändert werden“ müsse. Sechs Jahre Schulbesuch als Kriterium für den Doppelpass hält Mayer nicht für ausreichend.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.