Inland

Der Hüne aus Weißkeißel

von ohne Autor · 29. Juli 2009
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Auf den ersten Blick wirkt er ein wenig fehl am Platz. Inmitten einer Gruppe Bauarbeiter in verschwitzten Arbeitshemden und mit verstaubten Gesichtern steht ein Mann im Anzug und hört zu. Es geht um steigendes Grundwasser, nasse Keller und geeignete Gegenmaßnahmen. "Ich kenne das Problem", sagt der Mann schließlich mit tiefer Stimme. Er überragt die anderen um einen Kopf. "In meiner Heimat hatte früher niemand einen Keller, weil der Boden zu feucht war." Der 1,90-Hüne ist Thomas Jurk. Seine Heimat ist Sachsen oder genauer die Lausitz. In der Grenzstadt Görlitz wurde er 1962 geboren.

Bei der "Ortszeit" ganz nah an den Menschen

An einem sonnigen Juni-Vormittag ist der sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in das 300-Seelen-Dorf Burghammer im ehemaligen Braunkohlerevier zwischen Spremberg und Hoyerswerda gekommen, um sich ein Bild von einer Bedrohung zu machen, die für die Menschen hier im Osten des Freistaats immer größer wird: der Anstieg des Grundwasserspiegels. Der Bergbau hielt ihn über Jahrzehnte künstlich niedrig, doch als Grube für Grube geschlossen wurde, kam auch das Wasser zurück.

Die Menschen in Burghammer und in den Nachbargemeinden kämpfen seither gegen die Feuchtigkeit. Eine Schrebergartenkolonie musste bereits aufgegeben werden. Damit dem Wasser nicht auch noch Wohnhäuser zum Opfer fallen, werden sie mit Hilfe eines aufwändigen technischen Verfahrens kurzerhand um einen Meter angehoben.

Zu Hause in Weißkeißel

"Ortszeit" nennt Jurk Termine wie diesen, bei denen er durchs Land fährt und den Menschen mit ihren Problemen zuhört, um sich dann um die Lösung zu kümmern. Diese Nähe ist dem 47-Jährigen wichtig. "Vor Ort erlebe ich hautnah, was von der Politik, die wir in Dresden machen, bei den Menschen ankommt", erklärt er.

Um sich dies immer wieder vor Augen zu führen, ist Thomas Jurk, der seit der Wiedervereinigung ununterbrochen im Landtag sitzt und seit 2004 auch stellvertretender Ministerpräsident des Freistaats Sachsen ist, bis heute Mitglied im zwölfköpfigen Gemeinderat in Weißkeißel geblieben. Bei der Kommunalwahl am 7. Juni ist er gerade bestätigt worden. In dem kleinen Ort, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, lebt auch seine Familie.

"Superminister" in Sachsen

Die allerdings sieht Thomas Jurk meist nur an den Wochenenden. 14 bis 18 Stunden ist sein Arbeitstag lang, Urlaub gönnt er sich nur im Sommer ein paar Tage. "Für manche Dinge bleibt da einfach zu wenig Zeit", gibt Jurk zu. Mit seiner Frau telefoniere er jedoch jeden Abend.

Thomas Jurk ist ein Vollblutpolitiker. Mit den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Verkehr führt er zudem das "Superministerium" im Freistaat. "Das geht nur mit einem optimal aufgestellten Haus", lobt Jurk seine Mitarbeiter. Er könne sich stets auf seine Leute verlassen. Im Dezember vergangenen Jahres zum Beispiel. Es ging um ein 150-Millionen-Euro-Hilfspaket für das Dresdner Werk des Chipherstellers Qimonda, das er in letzter Minute auf den Weg bringen wollte. "Als es heiß wurde, waren meine Mitarbeiter rund um die Uhr im Büro", erinnert sich Jurk.

Schwarz-Gelb zu verhindern ist das Ziel

Mit der Bürgschaft scheiterte er schließlich am Seniorregierungspartner CDU, der sieben der neun Minister sowie den Ministerpräsidenten stellt. "Wir müssen die Technologie in Dresden und damit in Europa halten, wenn wir in der globalisierten Wirtschaft langfristig gut aufgestellt sein wollen," ist Jurk nach wie vor sicher.

"Wir haben viel zusammen erreicht", lobt er dennoch die Zusammenarbeit in der großen Koalition, die er gerne nach dem 30. August fortsetzen würde. "Wir haben mit unserer Regierungsbeteiligung für Sachsen viel bewegt: Mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation, ein Umdenken in der Energiepolitik, eine Arbeitsmarktpolitik, die diesen Namen verdient und den Einstieg in die kostenfreie Kinderbetreuung", bilanziert der stellvertretende Ministerpräsident. "Bei der Landtagswahl heißt es vor allem, Schwarz-Gelb zu verhindern", nennt Jurk, der seit Juli 2004 auch Vorsitzender der sächsischen SPD ist, das Ziel und kündigt an: "Im Wahlkampf werden wir unsere Positionen deutlich machen."

Gestaltung Sachsens als Aufgabe

Einen Punkt hat der Wirtschaftsminister Mitte Mai in seiner Regierungserklärung zum Thema "Antworten auf die Konjunkturkrise" bereits klar herausgestellt: "Unsere Chancen in Sachsen liegen darin, besser statt billiger zu sein." Für ihn sei nicht sozial, was Arbeit schafft, sondern nur das, was gute Arbeit schaffe, ergänzte er in Anspielung an einen CDU-Wahlkampfslogan. Dieser Satz macht deutlich: Auch wenn die SPD mit nur 9,8 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 2004 der kleine Regierungspartner der Union ist - an Selbstvertrauen mangelt es ihr nicht.

"Wir Sachsen haben eben eine optimistische Grundhaltung", sagt Jurk mit einem Lächeln. Dieser "Sachsenstolz" dürfe allerdings nicht mit Überheblichkeit verwechselt werden. Und so redet der Wirtschaftsminister, der Kraft seines Amtes auch "oberster Bergmann" ist, ganz ungezwungen mit den Menschen im ehemaligen Kumpel-Örtchen Burghammer, wo das Grundwasser steigt und die Häuser angehoben werden müssen.

Er passt genau hierher. Er ist einer von ihnen. Das ist wohl auch der Grund dafür, warum es Thomas Jurk nicht nach Berlin zieht. Der Bundestag habe zwar die "große Stellschraube" der Politik. "Aber meine Aufgabe ist Sachsen."

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