Inland

Der Deichgraf tritt ab

von Kai Doering · 29. Juli 2013

Nach mehr als elf Jahren im Amt tritt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck aus gesundheitlichen Gründen zum 28. August zurück. Nachfolger wird der bisherige Innenminister Dietmar Woidke. Er soll Platzeck auch als SPD-Landeschef beerben.

Die Meldung kam dann doch überraschend. Als sich Matthias Platzeck am Wochenende aus dem dreiwöchigen Erholungsurlaub zurückmeldete, deutete nichts darauf hin, dass er seine Ämter als Ministerpräsident von Brandenburg sowie als SPD-Landeschef nicht weiterführen würde. Am frühen Montagabend erklärte er seinen Rücktritt zur nächsten regulären Landtagssitzung am 28. August.

Die gesundheitlichen Probleme des 59-Jährigen waren am Ende zu groß. Nach einem leichten Schlaganfall im Juni hatte Platzeck erklärt, seine politische Zukunft von seiner Genesung abhängig zu machen. Nun zog er die Reißleine. „Zweieinhalb Jahrzehnte in der Politik haben ihre Wirkung, wenn der Motor immer auf Hochtouren läuft“, sagte Platzeck bei einer Pressekonferenz in Potsdam. Das Amt des Ministerpräsidenten sei „nicht in 40 oder 50 Stunden“ zu erledigen. Von mehr Arbeit hatten Platzeck seine Ärzte abgeraten.

Woidke wird doppelter Nachfolger

Sein Nachfolger als Ministerpräsident soll der bisherige Innenminister von Brandenburg, Dietmar Woidke, werden. Darauf verständigten sich der SPD-Landevorstand und die Landtagsfraktion bei einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung am späten Montagnachmittag einstimmig auf Vorschlag Platzecks. Woidke soll am 28. August von der rot-roten Landtagsmehrheit zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden. Der 51-Jährige soll auch Nachfolger Platzecks als SPD-Landesvorsitzender werden.

„Ich werde mit aller Kraft für die Menschen in Brandenburg arbeiten“, versprach Dietmar Woidke. Das Amt des Ministerpräsidenten sei „die größte Herausforderung meines bisherigen Lebens“. Woidke kündigte an, den bisherigen Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Ralf Holzschuher als neuen Innenminister berufen zu wollen. Neuer Fraktionsvorsitzender wird der bisherige Generalsekretär Klaus Ness. Ihm folgt die Landtagsabgeordnete Klara Geiwitz als erste Generalsekretärin in der Geschichte der Brandenburger SPD nach.

Platzeck der Menschenfischer

Matthias Platzeck, der sein Landtagsmandat behalten wird, blickt auf eine große Politikkarriere zurück. Nach gerade einmal zehn Jahren Parteizugehörigkeit war er 2005 zum Vorsitzenden der Bundes-SPD gewählt worden – mit 99,4 Prozent. Mit vielen Erwartungen und Euphorie von der Basis gestartet, musste Platzeck sein Amt jedoch bereits nach knapp sechs Monaten wieder aufgeben. Schon damals machte ihm seine Gesundheit zu schaffen: Nach zwei Hörstürzen und einem Kreislaufzusammenbruch innerhalb kürzester Zeit folgte Platzeck dem „dringenden ärztlichen Rat“ und gab sein Amt auf.

„Matthias Platzeck ist ein großer Sozialdemokrat, als Parteivorsitzender hat er unsere Partei mit größtem Einsatz und seiner unaufgeregten, offenen Art in schwieriger Zeit vorangebracht“, lobte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Verdienste seines Vorgängers. Sein Rückzug aus gesundheitlichen Gründen verdiene „allergrößten Respekt“.

„Matthias Platzeck ist wie Johannes Rau ein Menschenfischer. Er erreicht die Menschen“, charakterisiert Hubertus Heil seinen Parteifreund. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion war 2005 von Platzeck zum Generalsekretär der Bundespartei berufen worden.

Aus der Umweltbewegung in die SPD

Der gebürtige Potsdamer Platzeck begann Mitte der 80er Jahre sich politisch zu engagieren. Mit Gleichgesinnten gründete er eine Bürgerinitiative, die sich für den Umweltschutz in Potsdam einsetzte. Platzeck wurde Teil  Umweltbewegung in der DDR und nahm als Sprecher der „Grünen Liga“ an den Verhandlungen des Runden Tischs teil. Bis April 1990 gehörte er als parteiloser Minister ohne Geschäftsbereich der von Hans Modrow geleiteten Übergangsregierung an.

Im März 1990 wurde Platzeck als Abgeordneter der Grünen Partei der DDR in die Volkskammer gewählt und wurde als Mitglied des Deutschen Bundestags nach Bonn delegiert, bis sich im Dezember nach der ersten gesamtdeutschen Wahl der Bundestag neu konstituierte.

Bei der Landtagswahl im Oktober 1990 zog Matthias Platzeck für Bündnis 90 in den brandenburgischen Landtag ein und wurde in der Ampel-Koalition unter Manfred Stolpe Umweltminister. In dieser Funktion erntete er vor allem für sein Krisenmanagement während des Oder-Hochwassers 1997 viel Lob. Sein unermüdlicher Einsatz vor Ort brachte ihm den Namen „Deichgraf“ ein.

Im Juni 1995 trat Matthias Platzeck in die SPD ein. Von1998 bis 2002 war er Oberbürgermeister von Potsdam. 2002 wurde er zum Ministerpräsidenten von Brandenburg gewählt, nachdem Manfred Stolpe zur Hälfte der Legislatur zurückgetreten war. Bei zwei Landtagswahlen, 2004 und 2009, trugen der beliebte Landesvater und seine Partei den Sieg davon. Hatte Platzeck 2004 auf eine Fortführung der Großen Koalition mit der CDU gesetzt, gab er 2009 der Partei Die Linke den Vorzug. Die Entscheidung zurückzutreten und Dietmar Woidke als Nachfolger vorzuschlagen, sei „sehr eng mit dem Koalitionspartner abgesprochen“ worden, so Platzeck.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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