Inland

In der Bundeswehr herrscht „Mangelwirtschaft“

Fehlende oder zu alte Ausrüstung, zu wenig Personal und viele Aufgaben: Dem Wehrbeauftragten des Bundestags Hans-Peter Bartels zufolge ist die Bundeswehr überlastet. Eine Trendwende sei nicht in Sicht.
von Fabian Schweyher · 20. Februar 2018
Bundeswehr Eurofighter
Bundeswehr Eurofighter

Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dürfte der 115 Seiten umfassende Bericht äußerst peinlich sein. Darin zeichnet der Wehrbeauftragte des Bundestags ein desolates Bild der Bundeswehr, die inmitten einer konfliktreichen Weltlage an ihre Grenze gestoßen ist. Die vom Verteidigungsministerium immer wieder angekündigten Reformen haben die Situation der Truppe offenbar nicht verbessert.

Ersatzteile sind Mangelware

Bei Vorstellung des Jahresberichts in Berlin kritisiert Hans-Peter Bartels „große Lücken bei Personal und Material“. Und weiter: „Die materielle Einsatzbereitschaft der Truppe ist in den vergangenen Jahren tendenziell noch schlechter geworden.“ Dabei müsse die „kleinste Bundeswehr aller Zeiten“ Auslandseinsätze genauso meistern wie die Verteidigung Europas. Dies führe zu einer „Überlast“ in Teilen der Marine sowie in den Hubschrauberverbänden von Heer und Luftwaffe. Beispielsweise könnten Flüge in Einsatzgebiete nur noch mit tagelangen Verspätungen durchgeführt werden, falls sie ohnehin nicht abgesagt würden.

In der Bundeswehr herrsche eine „Mangelwirtschaft“, so der Ombudsmann aller Soldaten. „Die Materiallage bleibt dramatisch schlecht.“ Und das trotz angekündigter Trendwenden, von denen „nichts oder fast nichts zu spüren“ sei. Wie schon in der Vergangenheit fehlten Ersatzteile, weswegen sie oftmals innerhalb der Truppe zusammengesucht werden müssten. „Jetzt haben wir 2018, und am System des Hin- und Herschiebens hat sich nichts geändert.“ Gleichzeitig seien die Instandsetzungszeiten für Material „überlang“. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Wehrbeauftragten zeitweise alle sechs deutschen U-Boote und alle 14 Airbus-A400M-Transporter außer Betrieb gewesen.

Beschleunigte Projekte

Der Materialmangel führe dazu, dass in der Luftwaffe die Ausbildung behindert werde. „Zu viele Maschinen sind an zu vielen Tagen im Jahr nicht einsatzklar.“ Betroffen ist auch die Marine: Das Ausmustern alter Schiffe klappe termingerecht, so Bartels, aber die Indienststellung neuer Schiffe hänge „um Jahre“ hinterher. Von 15 vorgesehenen Fregatten existierten gegenwärtig nur neun. Und die Liegezeiten dieser betagten Schiffe würden immer länger.

Das Fazit des Wehrbeauftragten: „Das Projektmanagement der Bundeswehr und der Industrie lässt manchmal zu wünschen übrig.“ Hans-Peter Bartels fordert die nächste Bundesregierung auf, neue Waffensysteme beispielsweise gleich inklusive Ersatzteile und Simulatoren zu bestellen. „Das wäre teurer, es funktioniert aber besser.“ Der SPD-Politiker, der in seiner Funktion als Wehrbeauftragter parteiunabhängig ist, schlägt vor, einzelne Beschaffungsprojekte zu beschleunigen – für spürbare Verbesserungen in der Bundeswehr. Für eine vollständige Ausstattung der Truppe werde mehr Geld benötigt, das jedoch nicht vorhanden sei.

Nicht genügend Personal

„Viele Soldaten wünschen sich einen Befreiungsschlag“, schildert er. Angesichts der bestehenden Aufgaben und dem vorhandenen Material würden viele mehr als ihre Pflicht tun. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die Bundeswehr auch Probleme mit ihrer Personalstärke hat. Nach Angaben von Hans-Peter Bartels seien 21.000 Offiziers- und Unteroffiziersposten nicht besetzt. „Das führt nicht selten zu Überlast und Frustration“, so Hans-Peter Bartels.

Der stellvertretende verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Hitschler sagte zu dem Jahresbericht: „Der Wehrbeauftragte legt erneut den Finger in die Wunde und deckt Missstände auf.“ In den Koalitionsverhandlungen sei beschlossen worden, bei der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten für die bestmögliche Ausstattung zu sorgen, so Hitschler. Allerdings erschöpfe sich die Verantwortung für die Truppe nicht darin, den Einzelplan im Haushalt zu erhöhen. „Es ist auch eine Frage von Organisation und Management, für die fristgerechte Umsetzung zu sorgen.“

Autor*in
Fabian Schweyher

ist Redakteur des vorwärts.

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