Serbien, Bosnien und Mazedonien gelten seit Freitag als „sichere Herkunftsstaaten“. Das schadet weder den tatsächlich Verfolgten noch führt es zu einer schnelleren Abschiebung anderer Asylbewerber.
Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf der Regierung am Freitag zugestimmt: Serbien, Bosnien und Mazedonien sind laut Gesetz „sichere Herkunftsstaaten“. Die Befürworter glauben, dass sie damit das Asylverfahren beschleunigt haben. Kritiker hingegen behaupten, für Flüchtlinge aus diesen Ländern gebe es nun gar kein Verfahren mehr. Beide Seiten liegen allerdings falsch.
Im Asylverfahrensgesetz steht: Wenn ein Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat Asyl beantragt, wird sein Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt – außer er kann beweisen, dass er entgegen der Vermutung doch verfolgt wird. Asylanträge vom Westbalkan werden also auch künftig nicht automatisch abgelehnt. Vielmehr kann der Asylbewerber versuchen, die gesetzliche Vermutung, dass er in seinem Heimatland nicht verfolgt wird, zu widerlegen. Deshalb findet auch für Asylsuchende aus Serbien, Bosnien und Mazedonien weiterhin das unveränderte Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) statt. Das heißt: Die Antragsteller werden mündlich angehört und können alles vortragen, was für eine Asylgewährung und ähnliche Schutzmechanismen relevant ist. Das BAMF muss auch wie bisher alles prüfen.
Nicht asylrelevant
Erforderlich für Asyl wäre, dass ihnen willkürliche Strafverfolgung, Folter, nicht-staatliche Gewalt oder ähnliches droht. Auch Mehrfach-Diskriminierungen, die in der Wirkung einer Verfolgung gleichkommen, können laut Gesetz berücksichtigt werden. Das Problem der Antragsteller vom Westbalkan ist, dass sie in der Regel keine asylrelevanten Tatsachen vorbringen oder belegen können.
Bisher wurden jedenfalls fast alle Asylanträge vom Westbalkan abgelehnt. Die Schutzquote bei Flüchtlingen aus Serbien beträgt derzeit 0,6 Prozent, während syrische Flüchtlinge eine Schutzquote von 99,9 Prozent erreichen. Steht dahinter eine einseitige Haltung des BAMF, das dem Bundesinnenminister untersteht? Wohl nicht, auch die Verwaltungsgerichte in ganz Deutschland korrigieren bei Asylanträgen vom Westbalkan nur extrem selten. Wenn gelegentlich doch Abschiebe-Hindernisse angenommen werden, geht es in der Regel nicht um die Zustände im Herkunftsstaat, sondern um eine schwere Krankheit des Flüchtlings. Doch auch das kann weiterhin berücksichtigt werden.
Nur Rechtsschutz sinkt
Flüchtlinge, deren Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde, haben nur einen minimalen Rechtsschutz. Das ist der eigentliche Sinn der Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“. Der Asylbewerber muss gegen eine Ablehnung seines Antrags binnen einer Woche klagen und Eilrechtsschutz beantragen. Das Verwaltungsgericht soll dann binnen einer Woche über den Eilantrag entscheiden. Wird dieser abgelehnt, kann der abgelehnte Antragssteller sofort abgeschoben werden.
Allerdings wertet das BAMF die Asylanträge vom Westbalkan schon derzeit in rund 90 Prozent der Fälle als „offensichtlich unbegründet“. Die drastische Beschneidung des Rechtsschutzes ist also heute schon die Regel, auch ohne Einstufung als sicherer Herkunftsstaat. Deshalb wird es auch zu keiner nennenswerten Verkürzung von Gerichts- und Abschiebeverfahren kommen.
Das BAMF beziffert die Beschleunigung durch die Neuregelung deshalb lediglich auf „zehn Minuten“. Denn nun muss nicht mehr begründet werden, warum ein erfolgloser Antrag auch noch „offensichtlich“ unbegründet ist.
Mehr Planstellen beschleunigen Verfahren
Wie lange ein Asylverfahren dauert, ist heute vor allem eine Frage der Organisation und nicht der Rechtslage. Schon seit einiger Zeit werden Asylanträge von serbischen, bosnischen und mazedonischen Antragstellern beim BAMF vorrangig bearbeitet. Diese Asylverfahren dauern deshalb nur noch drei bis vier Monate, während Antragssteller aus anderen Staaten im Schnitt gut acht Monate auf ihren Bescheid warten müssen.
Möglicherweise werden sich die Verfahren beim BAMF bald weiter beschleunigen. Der Bundestag hat jüngst 300 neue Planstellen für den Asylbereich des BAMF bewilligt. Bisher sind dort knapp 900 Leute beschäftigt. Die neuen Mitarbeiter sollen bis Ende des Jahres eingestellt werden. Auch diese Beschleunigung der Asylverfahren hat nichts mit den „sicheren Herkunftsstaaten“ zu tun.
Gesetz ist Placebo
Was also soll das Gesetz dann? Das BAMF hofft auf einen „Signaleffekt“. Das abschreckend klingende Gesetz über sichere Herkunftsstaaten soll die Zahl der Asylbewerber vom Westbalkan spürbar verringern. Ob das klappt, ist zweifelhaft, denn schon heute dürften die minimalen Erfolgsaussichten im Westbalkan bekannt sein.
Vermutlich geht es der Bundesregierung eher um die innenpolitische Symbolwirkung. Statt den Kommunen materiell bei der Versorgung der steigenden Flüchtlingszahl zu helfen, sollen Städte und Gemeinden mit einem scheinbar hilfreichen Gesetz beruhigt werden.